Ganz natürlich - Pferde, Loden und Bioniere

Ramsau am Dachstein ist ein Eldorado für Skilangläufer und hat auch neben den Loipen viel zu bieten

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 6 Min.
Ganz natürlich - Pferde, Loden und Bioniere

Schnee hatten die vom Winter bislang vergessenen Flachländer gewollt, doch das, was da am ersten Wochenende des Jahres in Ramsau am Dachstein vom Himmel fällt, ist dann doch zu viel des Guten: Innerhalb von zwei Tagen wächst die Schneedecke um einen Meter. Ein Ende ist nicht abzusehen. Irgendwann macht da Langlauf - weswegen sie eigentlich aus den Ebenen auf das Hochplateau in der Steiermark gekommen sind - einfach keinen Spaß mehr. Ein verlorener Tag? -Von wegen!

Die muntere Truppe wechselt kurzum von zwei Brettern auf zwei Kufen und macht es sich in der Kutsche unter dicken, warmen Decken gemütlich, derweil Thijs und Piterkije sie lockeren Schrittes durch die tief verschneite Märchenwelt ziehen. So, wie die verhinderten Langläufer aus Deutschland, dachten auch viele andere Urlauber. Pferdekutschen, wohin man schaut. Doch ins Gehege kommen die sich nicht, denn Ramsau ist ebenso ein Pferde- wie ein Langlaufparadies.

Kein Ort in der Steiermark kann mehr Pferde aufweisen, insgesamt 450 teilen sich die Gemeinde mit deren 2700 menschlichen Bewohnern. Pferde werden hier seit über 80 Jahren gezüchtet, schon viel länger erledigen sie zuverlässig die schwere Arbeit auf den Feldern und im Wald. Genau so zuverlässig kümmern sie sich heutzutage um das Freizeitvergnügen von Urlaubern und Einheimischen - als Reittiere oder vor Kutschen und Schlitten. Es gibt auf dem 18 Kilometer langen und vier Kilometer breiten Hochplateau Ramsau 40 Kilometer gekennzeichnete Reitwege, im Winter 70 Kilometer bestens präparierte Schlittenwege, zwei Reithallen, sieben Reitplätze und zwei Vielseitigkeitsstrecken. Bei diesen exzellenten Bedingungen ist es nicht verwunderlich, dass die Gemeinde 2010 zur pferdefreundlichsten in ganz Österreich gewählt wurde. Alljährlich wird den unermüdlichen Vierbeinern sogar ein eigenes Frühlingsfest gewidmet.

Bis dahin allerdings kann's ruhig noch ein Weilchen dauern, jetzt erst einmal genießen Vier- und Zweibeiner eine Schlittenfahrt im dichten Schneetreiben. Sie führt vorbei an Loipen, auf denen ein paar Wetterfeste unerschrocken ihre Spur ziehen, durch den Wald, bergauf und bergab zum ältesten Gewerbebetrieb der Steiermark, die Ramsauer Lodenwalke. Seit 577 Jahren wird hier reine Schurwolle zu wind- und wetterfesten, wärmenden Loden verarbeitet. Heute noch fast genau so wie zu Anbeginn, erzählt Jörn Steiner, der das Familienunternehmen seit fünf Jahren leitet.

Eigentlich sei Loden nichts weiter als reine Schurwolle vom Schaf, die sei atmungsaktiv, erzählt der junge Chef von 25 Mitarbeitern, die zum Teil seit Jahrzehnten hier arbeiten und, wie Jörg, stolz darauf sind, ebenfalls Familientraditionen fortzuführen. Im Schnelldurchlauf erfahren die Besucher in dem höchst produktiven »Museum«, wie die Wolle zu Loden wird: Sie wird gewaschen, gekämmt, zu einem Faden gesponnen, aus dem ein Stoff gewebt. Der kommt dann in eine Art riesige Waschmaschine, wo der Stoff zunächst in einer lauwarmen Kernseifenlauge gewaschen wird, wobei die Fasern verfilzen, anschließend wird er durch zwei Walzen gezogen und dabei getrocknet. Danach ist das Wolltuch zwar auf gut ein Drittel eingelaufen, dafür aber wasser- und winddicht. Jetzt kommt die älteste Maschine, die Bügelpresse zum Einsatz, die rund 200 Jahre auf dem Buckel hat und schon zwei Mal bei Hochwasser weggeschwemmt wurde. Über alle Zeiten wurde sie gehegt und gepflegt und dankt's bis heute mit absoluter Zuverlässigkeit. »Bügelgepresst« ist der Loden nun zur Verarbeitung bereit. Hatten die Besucher dabei ausschließlich an dunkle ebenso schwere wie grobe Jägermäntel und an Trachtenjacken gedacht, staunen sie nun nicht schlecht im Verkaufsraum des Betriebes. In allen Farben leuchtet es dort, und - Herz, was willst Du mehr? - hängen Röcke, Kleider, Kostüme, Mäntel, Jacken, Umhänge, Westen und Hosen in schier unendlicher Vielfalt dicht an dicht, und in den Regalen stapeln sich flauschige Decken, Hüte, Handschuhe, Taschen ... Am meisten jedoch wird der schmucke Skianzug bestaunt. »Der ist nicht nur ein hundertprozentiges Naturprodukt, in dem einem garantiert nicht kalt wird«, sagt Jörg Steiner, »auch Wind und Feuchtigkeit können ihm nichts anhaben.« Selbstverständlich vergisst der 30-Jährige auch nicht zu erwähnen, dass er mit diesem Hingucker im vergangenen Jahr beim alljährlich in Österreich ausgetragenen Innovationswettbewerb der Handwerksbetriebe siegte.

Keine Ahnung, ob für Thijs und Peterkije, die draußen vor der Tür warten, die Zeit genau so schnell vergangen ist, wie den Besuchern der Lodenwalke. Gefroren haben sie aber auf keinen Fall unter ihren dicken Pferdedecken, die bestimmt auch aus dem steinerschen Familienbetrieb kamen. Munter traben die beiden Friesen mit ihrer Fracht weiter zum Frienerhof zu Claudia und Georg Berger.

Sie gehören zu den »Ramsauer Bionieren«, einer Vereinigung von zehn Bauernhöfen, Familienhotels und Kaufleuten, die zu 100 Prozent auf Bio setzen. Entstanden ist die Idee 1999, als die Nordische Skiweltmeisterschaft in Ramsau stattfand. Damals ließ man sich für die Versorgung der Zuschauer ein Biobauerndorf einfallen, was großen Anklang fand. Warum nicht diesen Weg weitergehen, überlegten sich die ausrichtenden Bauern, und Bio zu den Touristen bringen? Und weil sie mit dieser Idee im wahrsten Sinne Pioniere waren, nannten sie sich kurzerhand »Ramsauer Bioniere«.

Während es sich die Besucher am warmen Kachelofen in der Gaststube gemütlich gemacht haben und Georg Berger von den Anfängen erzählt, serviert seine Frau Claudia Ramsauer Nockerlsuppe nach uralter Rezeptur. »1999«, so der Bauer, »war längst noch nicht alles Bio, und es war ein zum Teil zäher Kampf um Lieferanten für die Gasthöfe. Besonders schwer erwies sich die Suche nach einem Biobäcker. Auch der hat sich mit Bernhard Gerharter inzwischen gefunden. Seit zwei Jahren aber ist tatsächlich alles Bio, was auf den Tisch kommt«, sagt er. »Darauf können sich unsere Gäste verlassen.«

Georg und Claudia, die den Frienerhof 1991 von den Eltern übernommen haben, bewirtschaften 21 Hektar Grünland, auf denen Futter für 20 Milchkühe, 40 Rinder und vier Schweine wächst. Neben 48 Hektar Wald gehören auch noch Schafe, Hühner, Meerschweinchen, Hund und Katze zum familienfreundlichen Anwesen. Kein Wunder, dass die fünf Ferienwohnungen und zwei Gästezimmer immer gut gebucht sind. Die urige Gaststube indes ist nur zwischen dem 26. Dezember und Ende März für Ausflügler geöffnet, im Sommer ist sie ausschließlich den Urlaubsgästen als Frühstücksraum vorbehalten. »Wenn die Felder zugeschneit sind, haben wir auch die nötige Zeit, uns den Gästen zu widmen«, sagt der Bauer. Dazu gehört dann auch schon mal, die Quetschkommode auszupacken und »die einzigen beiden Lieder zu spielen, die ich kann«. Da untertreibt er sicher ein wenig, denn zumindest ein Drittes entlocken ihm die Gäste, bevor sie sich zu später Stunde auf den Heimweg machen: Einen Jodler, den er und Claudia als netten Rausschmeißer servieren.

Am nächsten Morgen hat es endlich aufgehört zu schneien, und die Wolken geben den Blick frei auf Dachstein und Co. Jetzt locken nicht Thijs noch Piterkije, sondern einzig und allein die Langlaufski. Es wird Zeit, endlich die rund 230 Kilometer Loipen in Angriff zu nehmen, für die Ramsau am Dachstein zu Recht einen vorderen Platz unter den Langlaufdestinationen Österreichs einnimmt.

  • Infos: Tourismusverband Ramsau am Dachstein, Ramsau 371, A-8972 Ramsau am Dachstein, Tel.: +43 (0) 3687 81-833, Fax: -085, www.ramsau.com
  • Lodenwalke, A-8972 Ramsau am Dachstein, Tel.: -930, Fax: -406, www.lodenwalker.at
  • Ramsauer Bioniere: Infos über Georg Berger, Tel.: -835, www.frienerhof.at; immer am 3. Sonntag im Juli (15. 7. 2012) laden die Bioniere zum Sommerfest auf den Frienerhof
  • Das Frühlingsfest der Pferde findet 2012 vom 8. bis 10. Juni statt
Pferdeschlitten sind mehr als nur eine Notlösung an Tagen, an denen man mal nicht Langlaufen (u.) kann oder will.
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