Ihr und wir

Standpunkt von Thomas Blum

  • Lesedauer: 2 Min.

Als Herr Karamollaoglu, der in Deutschland geboren ist, während der Fußballweltmeisterschaft das Spiel der deutschen Elf lobte und meinte: »Wir gewinnen«, wurde er von einem seiner Arbeitskollegen gefragt, warum er eigentlich immerzu »Wir« sage. Die Türkei nehme ja am Turnier gar nicht teil. Dieser Dialog zeigt das ganze Elend der deutschen Integrationspolitik.

Solange Migranten nicht rechtlich gleichgestellt sind, bleibt der vom Deutschen als Ausländer Identifizierte ungeachtet der Lebenswirklichkeit vieler Migranten ein Ausländer: ein nicht Zugehöriger, Andersartiger, Dahergelaufener. Einer, der im Wesentlichen für die Versorgung mit Döner Kebab zuständig ist und sich zwischen zwei Ehrenmorden auch mal die Zeit nimmt, sich zur Qualität des deutschen Fußballs zu äußern. Schon in der katholischen, schwäbischen Provinz wird ja ein evangelischer Sozialdemokrat als sonderbarer Fremdling mit verstörendem Zungenschlag wahrgenommen und als »Zugezogener« verachtet. Nur werden diesem wenigstens gleiche Rechte gewährt.

Eine Partei wie die NPD mutet man dem vermeintlich zu Integrierenden zu, das Wahlrecht verweigert man ihm. Man mahnt ihn ab, er möge die deutsche Sprache lernen, obgleich oft genug deutsche Eingeborene zu ihrem Mobiltelefon oder ihrem Hund ein innigeres Verhältnis pflegen als zu ihrer Sprache. So bleibt auch der »Integrationsgipfel« ein symbolischer Akt: Eine alljährlich rituell gepflegte Werbeveranstaltung der Bundesregierung, mit dem Zweck, die Komödie vom weltoffenen Deutschland aufzuführen.

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