Roma in eisige Kälte abgeschoben

Niedersachsens Innenminister in der Kritik

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
In Kosovo herrschen im Winter starke Fröste, Menschen ohne feste Unterkunft sind vom Tod durch Erfrieren bedroht. Dennoch wurden gestern aus Deutschland gleich mehrere Flüchtlinge nach Kosovo abgeschoben.

Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen hatten an die Verantwortlichen appelliert, zumindest im Winter keine Roma nach Kosovo abzuschieben. Dennoch sind gestern Flüchtlinge aus mehreren Bundesländern von Düsseldorf aus in die bitterkalte Region ausgeflogen worden. Etwa 70 Menschen demonstrierten dagegen am Flughafen.

Wie viele Roma mit dem Sammeltransport weggebracht wurden, war nicht zu erfahren. Zehn von ihnen sollen in Nordrhein-Westfalen gewohnt haben. Die Zahl der gestern Abgeschobenen, die in Niedersachsen eine neue Heimat gefunden hatten, wollte der Sprecher des Innenministeriums, Frank Rasche, gegenüber »nd« nicht nennen. Bekannt wurde jedoch, dass sich unter den Betroffenen ein älteres Ehepaar befindet: der 58-jährige Ramiz Berisha und seine 53-jährige Ehefrau Fatmire aus Friesoythe (Landkreis Cloppenburg).

Hütten aus Plastik

Der Ehemann bedarf wegen schwerer Erkrankungen regelmäßiger ärztlicher Behandlung. Wie das Paar in Kosovo ohne Unterstützung durch seine in Deutschland lebenden acht Kinder überleben soll, sei völlig unklar, sagt Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen. »Angesichts der derzeitigen eisigen Temperaturen und der fehlenden Kontakte erwartet die beiden eine ungewisse Zukunft.« Der Umgang des niedersächsischen Innenministeriums mit Flüchtlingen sei völlig unsäglich, meint Weber. Die Familie Berisha habe fast ein Vierteljahrhundert in Deutschland gelebt - nun seien Mutter und Vater von ihren Kindern getrennt und »entsorgt« worden wie ein nutzloser Gegenstand. Schon vor einigen Tagen hatte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) gewarnt: »Wer jetzt nach Kosovo deportiert, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, Not leidende Menschen sehenden Auges in den Tod zu schicken.« Eisige Kälte bis zu 28 Grad unter null mache das Leben der Roma, einer Minderheit in Kosovo, dort vollends unerträglich. Viele Roma müssten in Hütten aus Plastik und Brettern leben. Strom werde, wenn überhaupt vorhanden, rationiert. Die meisten Roma hätten keine Isolierung in den Häusern, die Wasserversorgung sei eingefroren. »Trinkwasser gibt es nur im Supermarkt zu kaufen, wofür die verarmten Familien kein Geld haben«, berichtet Dzafer Buzoli, GfbV-Vertreter in Kosovo.

»Das ist unmenschlich«

Die neue Zwangsabschiebung nach Kosovo sei »Rückfall in die schlimmste Zeit der NS-Zigeuner-Verfolgung«, stellt die Gesellschaft fest. »Minister Gnadenlos« Uwe Schünemann, scheue nicht davor zurück, selbst Schwerkranke, Schwangere, Alte oder traumatisierte Kriegsopfer »ins Nichts zu deportieren«.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im niedersächsischen Landtag, Pia Zimmermann, kommentierte das Geschehen: »Schünemanns Abschiebemaschinerie hat wieder zugeschlagen.« Es sei immer wieder unbegreiflich, dass der Minister Menschen abschiebe, deren Zuhause Niedersachsen ist. Man entreiße den Betroffenen nach mehreren Jahrzehnten den Lebensmittelpunkt und schicke sie zurück in ein Land, in dem sie nicht mehr leben könnten. »Das ist unmenschlich«, bekräftigt Zimmermann. Der Zeitpunkt der Abschiebung sei ein Affront. Bei den tiefen Temperaturen in Kosovo bestehe die Gefahr des Kältetodes. »Wie kann man so etwas billigend in Kauf nehmen?«, fragt die Abgeordnete.

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