Handlanger der Stromkonzerne

DENEFF-Chef Martin Bornholdt kritisiert die Energieeffizienzpläne der Regierung

  • Lesedauer: 3 Min.
Heute beraten die EU-Wirtschaftsminister über die geplante Energieeffizienzrichtlinie, einem Kernpunkt bei der Energiewende. Die deutsche Regierung fand nach langem Streit erst kürzlich eine gemeinsame Position. Diese ist für die DENEFF, die »Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz«, einem Netzwerk technologischer Vorreiterunternehmen, schlicht »verheerend«. Mit Martin Bornholdt (31), dem DENEFF-Geschäftsführer, sprach Nick Reimer.
Handlanger der Stromkonzerne

nd: Herr Bornholdt, die Empörung über die geplante weitere Kürzung der Solartarife ist groß. Über die Einigung zur Energieeffizienz gibt es dagegen kaum Aufregung. Hat die Regierung also etwas Gutes beschlossen, das nicht diskutiert werden muss?
Bornholdt: Im Gegenteil, die Beschlüsse sind verheerend! Statt jetzt endlich mit verbindlichen Vorgaben in die Effizienztechnologie einzusteigen, hat die Regierung de facto jedwede Effizienzvorgaben aufgegeben.

Um bei der Solarförderung nicht ganz so stark kürzen zu müssen, ist Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) bei der Effizienz dem Wirtschaftsminister entgegengekommen. Dabei ist aus unserer Sicht Unsinn, die Energieeffizienz gegen die Solarwirtschaft auszuspielen.

Konkret: Worum geht es?
Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, dass Energiekonzerne oder Netzbetreiber ihren Kunden Einsparpakete anbieten, die Energie in Höhe von 1,5 Prozent der jährlich verkauften Energiemenge umfassen. Während der Bundesumweltminister das aus Klimaschutzgründen immer unterstützt hat, lehnte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) aus ideologischen Gründen jegliche bindenden Vorgaben ab. Die Regierung will jetzt nicht die Industrie verpflichten, sondern den jeweiligen Staat: Statt absoluter Einsparungen soll nur noch eine nebulöse Steigerung der Energieeffizienz festgeschrieben werden.

Der vorgelegte Kompromiss lässt keine andere Interpretation zu: Binnen einer Woche hat sich die Union zum zweiten Male von der FDP über den Tisch ziehen lassen. Das erste Mal war es beim Bundespräsidenten-Kandidaten.

Energieeffizienz gilt als billigste Form des Klimaschutzes. Wie erklären Sie sich die Haltung des Wirtschaftsminister?
Die Regierung hat beschlossen, 20 Prozent der Erzeugerkapazitäten bis zum Jahr 2020 dicht zu machen - die Atomkraftwerke. Gemeinsam mit dem Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie hat die DENEFF einen Zehn-Punkte-Plan erarbeitet, der nachweist, dass diese verlorengehende Kapazität allein durch Energieeffizienz ausgeglichen werden könnte. Energieeffizienz ist sogar die billigste Energiequelle: Sie kostet nur ein Drittel dessen, was andernfalls in Netze und Erzeugung investiert werden muss.

Aber dafür bräuchte es eine entsprechende Politik. Denn klar ist doch, dass Energiesparen nicht im Interesse der vier großen deutschen Stromkonzerne ist - die wollen schließlich so viel Strom wie möglich verkaufen. Rösler macht sich zum Handlanger der Energiekonzerne.

Die Regierung hat eine Energiewende beschlossen. Wo stehen wir bei der Umsetzung?
Das Management der Energiewende ist dilettantisch. Die KfW-Mittel zur Gebäudesanierung sind eingefroren, das Gesetz zur energetischen Sanierung hängt zwischen Bundestag und Bundesrat. 40 Prozent aller in Deutschland verbrauchten Energie werden zum Beheizen von Gebäuden verwendet, hier ist das größte Einsparpotenzial. Aber das wird einfach nicht angegangen. Nun kommen sowohl bei den Erneuerbaren als auch bei der EU-Effizienzrichtlinie die nächsten Bremsen.

Der Atomausstieg basiert auf einem gesamtgesellschaftlichen Konsens, die Regierung Merkel hat ja nicht aus Jux ihre Energiepolitik binnen eines Jahres zweimal komplett gedreht. Aber das, was sie jetzt als praktische Politik abliefert, sieht aus, als hätten manche Akteure die zweite Drehung noch nicht mitbekommen.

Hat die Energieeffizienz anders als die Solarindustrie zu wenig Unterstützer?
Natürlich. Die Solarbranche ist seit zehn Jahren gut organisiert, hier stehen auch entsprechende Mittel bereit, um Interessen zu formulieren. Die Effizienzbranche versteht sich erst seit anderthalb Jahren als »Branche«. Mit der DENEFF versuchen wir, dem Effizienzgedanken eine Stimme zu geben. Aber im Vergleich zu den Sonnenkraftwerkern sind wir erst am Anfang der Aufklärung. Dabei wollen auch wir 100 Prozent Erneuerbare und zwar so schnell es geht. Klar ist aber, dass wir dieses Ziel nur schaffen, wenn wir Energie sinnvoller - das heißt effizienter - einsetzen.

Die CDU-regierten Bundesländer Thüringen und Sachsen-Anhalt haben angekündigt, die abgesprochene Solarförderkürzung im Bundesrat zu blockieren. Sehen Sie Chancen für Korrekturen an der Einigung zur Energieeffizienz?
Ja. Allein deshalb, weil diese Einigung zwischen Rösler und Röttgen handwerklich so schlecht ist, dass sie überarbeitet werden muss.

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