Privatisierte Überwachung

Niedersachsen nutzt für Versand »stiller SMS« die Dienste eines Kommunikationsunternehmens

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit Hilfe einer »stillen SMS« kann die Polizei ein Handy orten, ohne dass der Empfänger davon etwas mitbekommt - seit 2007 gibt es dafür eine gesetzliche Grundlage. Doch in Niedersachsen werden dabei die Dienste einer Privatfirma genutzt.

In Niedersachsen nutzt die Polizei zum Versenden sogenannter »stiller SMS« Server eines privaten Telekommunikationsunternehmens. Das hat die CDU/FDP-Landesregierung jetzt auf eine Parlamentsanfrage der LINKEN eingeräumt. Gleichzeitig erklärte die Regierung, dass die Software des Anbieters derzeit nicht in der Lage sei, die Anzahl der versandten »stillen SMS« zu registrieren und zu speichern. Die LINKE ist empört: Diese Ermittlungsmethode müsse in Niedersachsen sofort gestoppt werden.

Mit Hilfe einer »stillen SMS« kann der Absender ein Handy orten, ohne dass der Empfänger davon etwas mitbekommt. Die übertragenen Daten beschränken sich auf die IMEI-Nummer des entsprechenden Mobiltelefons - das ist eine 15-stellige Seriennummer, mit der jedes Endgerät im GMS oder UMTS-Standard identifiziert werden kann. Fordert eine Behörde dann Netzwerk-Logs des Netzbetreibers an, kann die Position des angepeilten Handys ermittelt werden. Während die »stille SMS« zunächst in einer rechtlichen Grauzone lag, kann sie seit der Novelle zur Telekommunikationsüberwachung von 2007 auf eine gesetzmäßige Grundlage zurückgreifen.

Regierung laviert

Das Bundesinnenministerium hat kürzlich erklärt, dass alleine Bundesbehörden in den vergangenen sechs Jahren über eine Million »stille SMS« an Handys versandt haben. Im Jahr 2010 verschickte das Bundeskriminalamt 96 314 »stille SMS«, das Bundesamt für Verfassungsschutz 107 852 und die Zollfahndungsbehörden sogar 236 617.

Die Zahlen aus den Bundesländern erscheinen ebenfalls enorm - auch wenn dabei die Anzahl der verschickten »stillen SMS« sehr viel höher ist als die der betroffenen Personen. Mehrere Länder nutzen für diese Art der Überwachung eine von Nordrhein-Westfalen entwickelte und verwaltete Software. Niedersachsen verwendet sie jedoch nicht, wie aus der Antwort der Landesregierung hervorgeht.

Einzelheiten zu dem Server des privaten Anbieters - und um welche Firma es sich dabei überhaupt handelt - gab die Regierung in ihrer Antwort nicht bekannt. Durch die Erteilung der Auskunft würden »schutzwürdige Interessen Dritter verletzt«. Der Anbieter, der um Vertraulichkeit gebeten habe, müsse »mit erheblichen Nachteilen für seine Geschäftstätigkeit und gegebenenfalls auch mit Angriffen auf seine Systeme rechnen, wenn bekannt wird, dass er auch im Bereich der verdeckten polizeilichen Maßnahmen Dienstleistungen erbringt«.

Wie viele »stille SMS« in Niedersachsen verschickt werden, wurde ebenfalls nicht mitgeteilt. Durch die zurzeit zum Versand von Ortungsimpulsen genutzte Software könne die Anzahl »nicht generiert« werden. »Hierzu wäre eine Veränderung und neue Programmierung der bisher genutzten Software des Leistungsanbieters erforderlich.«

Dokumentation fehlt

»Es ist schon falsch, dass das Innenministerium in einem so sensiblen Bereich auf einen privaten Dienstleister zurückgreift«, sagt die innenpolitische Sprecherin der Landtags-LINKEN, Pia Zimmermann. »Und es ist unverständlich, warum dieser nicht mal in der Lage ist, eine ordentliche Dokumentation vorzunehmen.«

Zimmermann kündigte an, das Thema auf die Tagesordnung des Innenausschusses zu setzen. Die Landesregierung müsse die Art und den Umfang des Vertrags mit dem privaten Telekommunikationsdienstleister offenlegen. Außerdem werde sie den Datenschutzbeauftragten des Landes um eine Bewertung des Vorgangs bitten, sagte die Abgeordnete.

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