Hertha ist wieder dabei

Die Berliner siegen mit 1:0 im Spiel zweier ängstlicher Mannschaften gegen Werder Bremen

Mit Nebensächlichkeiten gibt sich Otto Rehhagel nicht ab. »Lasst das sein«, war für den Trainer von Hertha BSC nach dem 1:0 (0:0) gegen Werder Bremen nichts unwichtiger, als die Kritik von Jürgen Trittin. Der Grünen-Politiker hatte das Management des Berliner Bundesligisten hart kritisiert. Es sei suizidal veranlagt. Sogar die Namen der eigenen Spieler interessieren ihn nicht. »Bei mir heißt er Paradise«, antwortete Rehhagel auf die Frage nach Fanol Perdedaj. Weil er den Namen eh nicht richtig aussprechen könne.

Die Lacher hatte der 73-Jährige während der Pressekonferenz damit auf seiner Seite. Und auch das Lob, dass überhaupt erst die Sprache auf Perdedaj kam. Rehhagel hatte die Mannschaft im Vergleich zum 0:3 in Augsburg in der Vorwoche erheblich verändert. Nikita Rukavytsya durfte von Beginn an im linken Mittelfeld ran und dankte es nach 63 Minuten mit dem Siegtreffer. Die feine Flanke von Linksverteidiger Felix Bastians versenkte der australische Nationalspieler direkt aus sieben Metern in Bremens Tor von Tim Wiese.

Ebenso lohnenswert war der Einsatz des 20-jährigen Perdedaj. Zusammen mit Routinier Lewan Kobiaschwili bildete er im zentralen defensiven Mittelfeld den besten Mannschaftsteil. Zweikampfstark, mit Leidenschaft und enormer Laufbereitschaft bereiteten beide den Bremern einen ungemütlichen Sonnabendnachmittag. Werders schmächtiger Filigrantechniker Marko Marin beispielsweise sah kaum einen Stich. Nach der guten Leistung in seinem ersten Bundesligaspiel konnte Perdedaj dann auch über seinen neuen Namen lachen: »Mit Otto ist es lustig.« Zumal Rehhagel ihn nicht nur »Paradise« nannte, sondern dem gebürtigen Kosovaren auch bescheinigte, so gespielt zu haben.

Spaß und Freude sind also wieder zurück in der Hauptstadt. Gebracht hat sie, wer sonst, Otto Rehhagel mit dem ersten Sieg im zweiten Spiel unter seiner Leitung. Gleichwohl war es der erste Sieg nach langen 126 Tagen mit zwölf vergeblichen Versuchen und zuletzt 520 torlosen Minuten. So feierte die Mannschaft dann auch minutenlang mit den Berliner Fans unter den 52 744 Zuschauern im Olympiastadion.

Dabei sah es auch gegen Bremen lange Zeit nicht nach dem ersehnten Erfolgserlebnis aus. Rehhagel hatte scheinbar auch seinen Spielern die Nebensächlichkeiten ausgetrieben. Getreu seiner Maxime im Abstiegskampf - »Teamgeist, Leidenschaft und Kampf« - beschränkten sich die Berliner zuvorderst auf eine sichere Abwehr, spielerische Höhepunkte blieben rar. »Hinten sicher stehen und vorne irgendwie ein Tor machen«, bestätigte Vorlagengeber Bastians später die Marschrichtung. Die Angst vor einer erneuten Niederlage war deutlich zu spüren.

Gegen den Tabellensechsten aus Bremen reichte all das aber dennoch, weil auch der Gegner vor allem im Offensivspiel mit zu wenig Risiko agierte. Die Mannschaft war mit einem Durchschnittsalter von 24,3 Jahren die jüngste in der Bundesligageschichte des Klubs, entsprechend unerfahren und mit Angst vor Fehlern behaftet, präsentierte sich das Team. Da hatte selbst der Erfahrenste unter ihnen mit seinen Nerven zu kämpfen. Der 33-jährige Claudio Pizarro hätte das Spiel mit seinen Chancen allein für Werder entscheiden können. Während der Stürmer nach 18 Minuten noch etwas Pech im Abschluss hatte und zwei Minuten später aus zehn Metern nur knapp verzog, scheiterte er in der 65. Minute frei stehend aus sieben Metern an Hertha-Torwart Thomas Kraft.

Später, auf der Pressekonferenz, hatte es den Anschein, dass Bremens Trainer Thomas Schaaf die Niederlage gelassen nahm. Denn auch er lauschte Rehhagels Rede und konnte sich das ein oder andere Schmunzeln nicht verkneifen. Ganz und gar nicht nebensächlich waren dann Rehhagels Abschlussworte: »Wir sind wieder dabei.«

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