Gegen den Marsch in einen neuen Krieg
Der Labour-Abgeordnete Jeremy Corbyn über die britische Friedensbewegung
nd: Ihre Bewegung wurde in Reaktion auf die Intervention des Westens in Afghanistan gegründet. Der größte Erfolg seitdem war wohl die Demonstration von zwei Millionen Menschen gegen den Irak-Krieg 2003. Seitdem scheint der große Protest gegen westliche Interventionen abgeebbt ...
Corbyn: Das würde ich nicht so sehen. Gerade jetzt ist die Friedensbewegung in Großbritannien wieder im Kommen: Iran ist eine große, ernste Sache. Die offensichtlich immer aggressivere Politik insbesondere der USA gerade gegenüber Teheran lässt viele Leute wieder aufhorchen und sich engagieren. Sie wollen verhindern, dass Großbritannien bald schlafwandelnd hinter den USA in einen neuen Krieg marschiert. Und im übrigen: So lange ist das gemeinsame Erlebnis des Widerstands gegen den Irak-Krieg auch noch nicht her.
Iran hat in den letzten Wochen seinerseits durch die Verweigerung von Atominspektionen aber auch zur Verschärfung der Lage beigetragen.
Ich bin, wie wohl jeder Linke, gegen die Anschaffung und den Besitz von Atomwaffen. Es ist Iran aber erlaubt, Anlagen zur friedlichen Nutzung der Kernkraft zu unterhalten. Hier wird nur das grobe Missverhältnis zum Atomarsenal Israels, das sich bisher nicht einer einzigen Inspektion öffnen musste, deutlich. Und da weiß man, dass sie den Atomwaffensperrvertrag gebrochen haben - bei Iran rechnet nicht mal mehr das Pentagon ernsthaft damit.
Es gab auf der Konferenz eine lebhafte, aber kulturvolle Debatte zur Frage westlicher Interventionen und der Menschenrechte. Dagegen werden friedensbewegte Positionen mittlerweile auch in der BBC in eine Parteinahme für Assad verwandelt. Warum stellt sich die Koalition in Sachen Syrien nicht auf eine der beiden Seiten?
Wir brauchen uns in dieser Frage nicht wegen unserer Geschichte zu entschuldigen. Die britische Linke hat schon gegen Menschenrechtsverletzungen in allen diesen Ländern zu Zeiten demonstriert , in denen Großbritannien Milliarden-Waffengeschäfte z.B. mit Saddam Husseins Irak abwickelte. Der Punkt ist, wie immer man sich auch mit diesen Ländern darüber auseinandersetzt: Krieg verschlimmert nur die Situation. Das zeigen die Disaster in Irak und in Afghanistan.
Wird es wieder zu einer europäischen Koordination der Friedensbewegungen kommen, wenn sich die Situation um Iran weiter zuspitzt?
Das ist tatsächlich eine wichtige Frage, aber erst für die nächsten Monate. Wir haben auch so alle Hände voll zu tun, so unterstützen wir unsere amerikanischen Freunde bei der Gegendemonstration zum NATO-Gipfel im Mai in Chicago.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.