PLATTENBAU

  • Michael Saager
  • Lesedauer: 2 Min.

Prinzhorn Dance School. Seltsamer Bandname. Benannt hat sich das Duo aus dem englischen Seebad Brighton nach dem deutschen Psychiater und Kunsthistoriker Dr. Hans Prinzhorn. Prinzhorns Anfang des 20. Jahrhunderts angelegte Sammlung mit Bildern aus den Händen Geisteskranker hatte es den Musikern angetan.

Eine nette Namensgebungslegende, mehr freilich nicht, denn wie die Musik Geisteskranker klingen die Songs aus der Prinzhorn Dance School nun gerade nicht. Es sind gertenschlanke, beinahe skelettartige, von strenger Hand auf die allernötigsten Zutaten reduzierte und stets hochkonzentriert vorgetragene (Neo-) Postpunk-Lektionen. Der Mut zur Lücke ist Programm. Da haben sich Tobin Prinz (Drums, Gitarre) und Suzi (Bass, Drums) einiges abgeschaut bei den (post-)marxistischen Thatcherismus-Verächtern und ewigen Postpunk-Helden Gang of Four: Die pfiffen Ende der 70er, Anfang der 80er auf maskuline Gitarrensoli und ließen jene Lücken stehen, die Gitarrist Andi Gill einmal als »Antisoli« bezeichnete. Bassist Dave Allen musste sein Spiel auf wenige Noten reduzieren. Bevorzugt wurde ein kalter, klarer, architektonischer Sound unter Verzicht auf die instrumentellen Hierarchien des Rock.

Bassläufe wie mit Schwung auf den Boden geworfene, große schwarze Flummis, scharf konturierte, trockene Gitarrenlicks und minimale Hooklines. Ein metronomartig gespieltes Kickdrum-Schlagzeug, das klingt, als würde ein Einarmiger es bearbeiten. Wer möchte, kann in Tobins lässigem Stakkato-Sprechgesang Mark E. Smith von The Fall, im melodischeren Duettgesang der beiden die allzu früh aufgelösten Young Marble Giants wiedererkennen.

Alles retro, oder was? Aber sicher. Und doch ist Prinzhorn Dance School's zweites Album »Clay Class« etwas Besonderes, denn so konsequent wie die beiden haben sich nur wenige Musiker der letzten Dekade am Sound ihrer Vorbilder orientiert. Es ist ein bemerkenswert schmuckloser Sound, vollständig frei von ornamentalem Gedöns und inflationärem Verdichtungszauber. Damit stehen Prinzhorn Dance School in einsamer Nähe zu Joe Lally, Edie Sedgwick und Barr - Musiker die hierzulande relativ unbekannt sind, und die sich seit vielen Jahren am Prinzip »Rock«-Verschlankung abarbeiten. Nicht zuletzt um Rock, diesem breitbeinigen Männerklischee, ein bisschen vors Schienbein zu treten. Den Begriff des Politischen etwas weiter gefasst, darf man Prinzhorn Dance School als politische Band betrachten.

Prinzhorn Dance School: Clay Class (Cooperative Music/DFA/Universal)

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