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Nine Inch Nails: Losgelöst von der Simulation

Nine Inch Nails sind am besten, wenn sie Soundtracks machen und sei es für Disney

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.
Für einen Soundtrack kann man schon mal wieder zusammenkommen.
Für einen Soundtrack kann man schon mal wieder zusammenkommen.

Nine Inch Nails haben als Band eine erstaunliche Kurve genommen. Am Anfang standen die umwerfenden Alben »Pretty Hate Machine«, die EP »Broken« und vor allem »The Downward Spiral«. Musik, die in den 90ern Teenage Anxiety, adoleszente Verzweiflung und Depressionsglamour in Songform brachte und erträglich machte, indem sie all das mit dem Glanz des Schön-Kaputten versah und überhöhte. Trent Reznor, Sänger, Komponist und Sounddesigner des Ein-Mann-Projekts (»Band« trifft es eigentlich nicht) kombinierte das alles mit damals innovativen Sounds, irritierendem Noise und ausufernden Songstrukturen. »The Downward Spiral« ist ein übersprudelnder Quell musikalischer Ideen, in die Welt gestellt von einem Künstler auf der Höhe seiner Schaffenskraft; mit gerade einmal 27 Jahren.

Danach ging es bergab, und wenn heute der Soundtrack zu einem nun auch nicht eben begeisternden Film wie »Tron: Ares« erscheint, kommt die Begeisterung nicht gleich automatisch mit. »The Fragile« war noch toll, danach wurden die Alben von Nine Inch Nails zunehmend egal und wirkten, als hätten sie den Kontakt zu dem verloren, was sich in der elektronischen Musik so entwickelte. Trent Reznor schien das Verblassen des eigenen Werkes registriert zu haben und veröffentlichte in den letzten Jahren vor allem Soundtracks, zusammen mit dem Nine-Inch-Nails-Mitglied Atticus Ross.

Plattenbau

Das Album der Woche. Weitere Texte unter dasnd.de/plattenbau

Losgelöst von dem Zwang, als wohlhabender Mann in den Vierzigern noch juvenile Verzweiflung simulieren zu müssen, und in Spannung mit den Bildern, kam hier wieder etwas in Bewegung. Der Techno-Score, den Reznor für »Challengers« schrieb, und der kurz darauf erschienene fragile Soundtrack zu »Queer«, beide von Luca Guadagnino, gehören zu den besten Filmmusiken der letzten Jahre.

Für das Disney-Franchise »Tron« hat Reznor nun den alten Projektnamen wieder ausgegraben. Und gesungen wird auch wieder. Die Reanimation sei ein Vorschlag von Disney gewesen, hat Reznor im Interview erzählt. Das hätte ihm die Freiheit gegeben, den Soundtrack nicht als Score, sondern als Bandalbum zu konzipieren. Das Ergebnis ist disparat. Als Electro-Bretter gedachte Songs wie »As Alive As You Need Me To Be« oder »I Know You Can Feel It« wirken so dünn und reißbrettförmig wie das meiste, was zuletzt unter dem Namen Nine Inch Nails erschienen ist.

Das Album funktioniert dann wirklich gut, wenn Trent Reznor die 80er-Jahre-Ästhetik, die seit dem ersten »Tron«-Film 1982 fester Bestandteil des Franchise ist, mit neueren Sounddesigns verbindet. Also immer dann, wenn der Synthie-Futurismus von vor 40 Jahren mitsamt immer wieder eingeflochtenen leichten Dissonanzen auf den elektronischen Donner aus den Filtern und Laptops der Gegenwart trifft. Kurze Synthesizer-Tracks wie »100 % Expendable« und »Building Better Worlds« klingen ein wenig nach einer orchestralen Version des Zeitreise-Ambientes von Oneohtrix Point Never und verweisen außerdem auf die Musik der Avantgarde-Komponistin Wendy Carlos, deren Soundtrack dem Originalfilm einen erhaben-avantgardistischen Glanz verlieh.

Diese Zeitenmischung gelingt immer wieder sehr schön. Und das Schicksal von Nine Inch Nails liegt nicht mehr in der Erschaffung unmittelbar affektintensiver Popsongs, sondern in der schönen Auftragsarbeit.

Nine Inch Nails: Tron: Ares (Interscope/Universal Music)

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