Weg vom Kamin
Kommentar von Jirka Grahl
Für Dieter Graumann ist die Sache wohl erledigt. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden verriet am Sonntag im »Tagesspiegel«, er glaube nicht mehr daran, dass der Deutsche Fußball-Bund noch seinem Vorschlag folgen werde, dass die Nationalspieler während der Europameisterschaft die Holocaust-Gedenkstätte in Auschwitz besuchen. Die Chance dazu sei nach zwei Wochen Zögern längst verspielt. Erzwungenes Gedenken sei gar keins, klagte Graumann. Zumal DFB-Teammanager Oliver Bierhoff dem Zentralratsvorsitzenden in kaum fassbarer Unbeholfenheit stattdessen ein »Kamingespräch« angeboten haben soll, wie Graumann entrüstet berichtete.
Vom DFB ist zu hören, man überlege, wie mit dem Thema bei der EM angemessen umzugehen sei. Eine gute Gelegenheit für den neuen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach zu zeigen, wie er den Antirassismus- und Antisemitismus-Kurs seines Vorgängers fortzusetzen beabsichtigt. Eine Idealvorstellung wären wohl mündige Spieler, die von selbst zu einem Besuch in Auschwitz oder Babyn Jar aufbrechen. Gibt es eigentlich noch einen Mannschaftsrat in der Nationalelf? Erwachsene Männer, die selbst entscheiden, ob und wie sie gedenken wollen? In Zeiten, in denen ein israelischer Fußballer in der Bundesliga übel beschimpft wird, sollten sie sich unbedingt zeigen. Spätestens bei der EM.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.