Haushaltslücke schließen

Göttinger Stadtrat winkt Sparpaket durch

  • Hans Weber
  • Lesedauer: 3 Min.
In einer Sondersitzung hat der Rat der Stadt Göttingen am letzten Donnerstag das sogenannte »Entschuldungshilfeprogramm« (EHP) verabschiedet.

Vor zwei Wochen hatten sich die Fraktionen von SPD und Grünen sowie die CDU/FDP-Gruppe darauf geeinigt, die Vorlage der Verwaltung mit einigen marginalen Änderungen durchzuwinken. Die drei Großen verfügen im Rat über 42 von 47 Stimmen. Nur die Abgeordneten der Linken (3) und der Piraten (2) stimmten dagegen. Ursprünglich war die Abstimmung erst für Juni geplant.

Grundlage des Sparprogrammes ist der »Zukunftsvertrag«, den die Stadt mit dem Land Niedersachsen abschließen will. Dafür verpflichtet sich die Stadt, ab 2013 dauerhaft einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen und keine weiteren Schulden zu machen. Für 2013 ist eine Haushaltslücke von ca. 5,5 Millionen Euro zu schließen, im Folgejahr mehr als sieben Millionen. Außerdem muss der Anteil der freiwilligen Leistungen auf drei - in Ausnahmefällen bis zu vier - Prozent des Jahresetats begrenzt werden. Im Gegenzug verspricht das Land, »bis zu 75 Prozent« der bis 2009 aufgelaufenen Kassenkredite - das sind ca. 142 Millionen Euro - zu übernehmen. Und hier liegt schon das erste Problem: Keiner kann heute sagen, wie viel wirklich übernommen wird. Vielleicht nur 120, nur 100 Millionen oder gar noch weniger?

Im Februar hatte die Stadtverwaltung das 63 Punkte umfassende Programm vorgelegt. Neben der Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuer handelt es sich vor allem um Sparmaßnahmen. Ein großer Teil betrifft die »freiwilligen Leistungen« der Kommune, die vornehmlich im sozialen und kulturellen Bereich angesiedelt sind.

Bürgerwille ignoriert

Man versprach, die BürgerInnen an der Entscheidung über das EHP zu beteiligen. Dazu wurden zwei öffentliche Anhörungen veranstaltet, und in einem vierwöchigen Internetforum waren alle Interessierten eingeladen, über die Vorschläge der Verwaltung zu diskutieren und abzustimmen sowie eigene Vorschläge einzureichen.

Mehr als 3000 BürgerInnen beteiligten sich an dem Forum, fast 200 Vorschläge wurden eingereicht. Das Ergebnis war ernüchternd. Nicht ein einziger der Bürgervorschläge wurde für brauchbar erachtet, die Abstimmungsergebnisse weitestgehend ignoriert. Stattdessen einigten sich die drei großen Fraktionen im Eilverfahren, bei der SPD sogar ohne eine Entscheidung der eigenen Parteigremien abzuwarten.

Schmerzhafte Einschnitte

Nur zwei der Kürzungsvorschläge (Verbraucherzentrale und StadtRadio) wurden fallen gelassen, wenige andere modifiziert bzw. abgemildert. Eine große Anzahl von Einrichtungen aus dem sozialen und kulturellen Bereich, wie das Kommunikations- und Aktionszentrum (KAZ), das Junge Theater, der Frauennotruf oder Pro Familia werden mit schmerzhaften, teilweise existenzbedrohenden Einschnitten leben müssen. Zehn Kinderspielplätze sollen geschlossen werden. Befürworter des Zukunftsvertrages bezeichnen die Sparmaßnahmen wie üblich als »alternativlos«, Gegner beklagen die soziale Unausgewogenheit und eine »Selbstknebelung« der Stadt für mindestens zehn Jahre. Das Problem der strukturellen Unterfinanzierung der Kommunen werde durch den Vertrag nicht gelöst. Gerd Nier, Vorsitzender der Göttinger Linksfraktion, empörte sich außerdem über die »Ignoranz der Macht«, mit der die Kritiker der Sparpläne »ausgetrickst« worden seien.

Unmittelbar vor der Ratssitzung demonstrierten Göttinger BürgerInnen lautstark vor dem Rathaus gegen das Sparpaket.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal