80 Milliarden sind möglich

Besteuerung der Reichen ist eine Kernforderung am 1. Mai

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Vorfeld der Demonstrationen am 1. Mai haben Forderungen der LINKEN und der Gewerkschaften nach höheren Steuern für Reiche Rückenwind erhalten. Laut einer Forsa-Umfrage sprechen sich 77 Prozent der Bundesbürger für die Wiedereinführung einer Vermögensteuer aus.

Der diesjährige Tag der Arbeiterbewegung steht vor allem im Zeichen der Solidarität mit den von der Wirtschaftskrise betroffenen Menschen in den Ländern Südeuropas. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert bei seinen Demonstrationen und Kundgebungen unter dem Motto »Gute Arbeit für Europa - gerechte Löhne, soziale Sicherheit« eine Neuordnung der Arbeit sowie Maßnahmen gegen die drohende Altersarmut. In den Krisenländern würden hart erkämpfte Erfolge wie Mindestlöhne, die Tarifautonomie und soziale Sicherung einfach über Bord geworfen, moniert der DGB.

Auch die LINKE zieht am 1. Mai gegen die neoliberale europäische Krisenpolitik zu Felde. Sie ist gegen den dauerhaften »Euro-Rettungsfonds« ESM und den Fiskalpakt und erwägt eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Denn durch den Fiskalpakt würden die Banken und private Gläubiger geschützt, während die Masse der Arbeitnehmer, Erwerbslosen und Rentner unter den unsozialen Kürzungsprogrammen leiden müssten. In dem hoch verschuldeten Griechenland wurde der Mindestlohn im Zuge der Wirtschaftskrise um bis zu 32 Prozent gesenkt. Außerdem hat die griechische Politik Massenentlassungen im öffentlichen Dienst veranlasst. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt dort inzwischen rund 50 Prozent. Die LINKE moniert, dass Griechenland in die Rezession getrieben werde und dabei nicht einmal seine Schulden senken könne.

Diese Maßnahmen sind auch Auswirkungen der von der Bundesrepublik dominierten Europapolitik. Sie orientiert sich weitgehend an der Agenda 2010 der einstigen Schröder-Regierung. Diese hatte unter anderem die Zunahme von Leiharbeit, Minijobs und befristeten Beschäftigungen stimuliert. Dieses Modell führt zu Lohndumping und einer sinkenden Binnennachfrage.

Um die verheerenden sozialen Auswirkungen der Hartz-Reformen, wie etwa prekäre Beschäftigungsverhältnisse und die Verarmung der Erwerbslosen in Deutschland abzumildern, gehen die LINKE und ihre Sympathisanten am morgigen 1. Mai für einen flächendeckenden Mindestlohn von zehn Euro und die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes auf 500 Euro auf die Straße. Bezahlt werden könnten diese Maßnahmen durch eine »Besteuerung von Überfluss«.

Rückenwind erhält diese Forderung nun von rund drei Viertel der Gesellschaft. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Forsa sprachen sich 77 Prozent der Befragten für die Wiedereinführung der seit dem Jahr 1997 ausgesetzten Vermögenssteuer aus. Selbst unter Anhängern der Regierungsparteien Union (65 Prozent) und FDP (73 Prozent), die im Jahr 2009 mit der Ankündigung angetreten waren, die Steuern deutlich zu senken, findet diese Forderung inzwischen eine Mehrheit. »Jetzt sind alle Parteien gefragt, gemeinsam den Wählerwillen umzusetzen«, forderte in diesem Zusammenhang Tobias Austrup von der linken Nichtregierungsorganisation Campact.

Vier SPD-geführte Länder hatten vor kurzem angekündigt, eine entsprechende Bundesratsinitiative zu starten. Allerdings haben die Sozialdemokraten in der Länderkammer keine gestaltende Mehrheit. Nach Vorstellungen der SPD soll der Steuersatz zudem lediglich ein Prozent betragen. Privatleuten könnte demnach ein Freibetrag von zwei Millionen Euro eingeräumt werden.

Dagegen will die Linkspartei als Alternative zur Schuldenbremse, die die Möglichkeiten einer gestaltenden Haushaltspolitik weiter einschränkt, eine Millionärssteuer einführen. Die Partei hat berechnet, dass schon eine einmalige europaweite Vermögensabgabe von 50 Prozent die immensen Staatsschulden in Europa halbieren würde.

Würde in der Bundesrepublik eine Millionärssteuer mit einem Satz von fünf Prozent eingeführt werden, könnte somit der Staat jährlich 80 Milliarden Euro mehr einnehmen.

Zudem dürfte eine heute in Genf erscheinende Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von den Vereinten Nationen die Bundesregierung in ihrer Wirtschaftspolitik unter Druck setzen. ILO kritisiert in ihrem »Weltarbeitsbericht 2012« den deutschen Sparkurs und warnt vor wachsender Arbeitslosigkeit in Europa, sollte nicht in Wachstum investiert werden.

Doch in der wachsenden EU-skeptischen Stimmung in den europäischen Bevölkerungen lauern auch Gefahren. Am 1. Mai werden Neonazis mit nationalistischen Slogans wie »Raus aus dem Euro und zurück zur nationalen Volkswirtschaft« in mehreren deutschen Städten aufmarschieren. In Berlin wurden Demonstrationen der rechtsextremen NPD an drei Orten genehmigt. Antifaschistische Bündnisse haben zum Widerstand und zu Blockaden gegen die Braunen aufgerufen.

Für die »soziale Revolution« werden in diesem Jahr zum 25. Mal linke Gruppen in Berlin demonstrieren. Beteiligt sind hierbei die Antifa-Gruppen ARAB und ALB, die Deutsche Kommunistische Partei und der Jugendverband SDAJ, das feministische Bündnis »8. März«, die antikapitalistische Jugendplattform »Kinder des Zorns« (KIDZ), das »Kurdistan Solidaritätskomitee Berlin« sowie weitere Gruppen. Erwartet werden insgesamt bis zu 15 000 radikale Linke. Der Zug wird von Kreuzberg bis zum Regierungsviertel führen. Laut Revolutionärem 1. Mai Bündnis soll so »im Kontext der europaweiten Krisenproteste der Protest gegen die Krisenbewältigungspolitik der Bundesregierung in das politische Zentrum der Macht getragen« werden.

Begleitet wird der Zug traditionell von einem großen Polizeiaufgebot, das wohl besonderes Augenmerk auf das Springerhaus in der Berliner Innenstadt legen wird. Dieses wird gegen die Demonstranten mit der Begründung weiträumig abgeriegelt, dass der Medienkonzern am 2. Mai den 100. Geburtstag seines Gründers feiert.

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