Zahl von Zwangsadoptionen nicht zu ermitteln

Das Land Brandenburg mit 3,2 Millionen Euro an Heimkinder-Fonds beteiligt

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine genaue Zahl, wie viele Zwangsadoptionen es zu DDR-Zeiten auf heute brandenburgischem Gebiet gegeben hat, ist nicht mehr zu ermitteln. Schon in den 1990er Jahren seien solche Versuche »nicht erfolgreich gewesen«, erklärte Bildungsministerin Martina Münch (SPD). Die CDU hatte sich danach erkundigt.

Münch unterstrich, in aller Regel habe seinerzeit die Einwilligung der Eltern für Adoptionen vorgelegen. Die Umstände, unter denen die Einwilligung gegeben wurden, seien in den Akten nicht vermerkt. Durch Zwangsadoptionen sei einzelnen Kindern und ihren Familien Leid und Unrecht angetan worden, so Münch.

Adoptionen wurden der Ministerin zufolge seinerzeit in der Regel von Jugendhilfeausschüssen veranlasst und mit Verwahrlosung und Erziehungsgefährdung begründet. Gegenwärtig werde eine breite fachliche und politische Diskussion zur Aufarbeitung der DDR-Heimerziehung geführt. Ein Ende März von Bund und Ländern vorgelegter Bericht zur Heimerziehung in der DDR beschreibe die Erziehungsmethoden in vielen Einrichtungen und Fällen als »menschenrechtsverletzende Praxis«, erläuterte Münch.

Betroffene können ihre Rehabilitierung beantragen und haben einen Anspruch darauf, wenn es sich bei der Adoption oder bei einer Heimeinweisung um politische Verfolgung oder um eine rechtsstaatswidrige Verwaltungsentscheidung handelt. Es wird dabei nicht statistisch erfasst, wie viele Menschen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.

Das Land Brandenburg beteiligt sich mit 3,2 Millionen Euro an einem Rehabilitierungsfonds »Heimerziehung in der DDR 1949-1990«. Der Fonds umfasst insgesamt 40 Millionen Euro. Mit dem Geld soll - vergleichbar dem Vorgehen für Westdeutschland - Menschen geholfen werden, die an Folgen einer Heimerziehung leiden. Der Fonds sei eingerichtet worden, weil bei den Rehabilitierungsverfahren die Nachweise oftmals nicht erbracht werden können, erklärte Münch.

Die Ministerin führte aus, dass eine Heimunterbringung, insbesondere in Spezial- und Durchgangsheimen der DDR, traumatisierende Wirkungen und andere erhebliche soziale und psychische Schäden verursacht habe. Aber: »Die menschenrechtsverletzende Praxis in vielen Heimen der DDR erwuchs in den meisten Fällen nicht aus individueller politischer Verfolgung, sondern gründete in der Rigidität, mit der in der DDR auf Abweichung vom politisch gewünschten Menschenbild reagiert wurde.« Die Zwangsstruktur habe sich besonders deutlich in dem Konzept der Umerziehung von Schwererziehbaren in Spezialheimen gezeigt. Die Kinder und Jugendlichen seien dort nicht mehr als Subjekte in einem pädagogischen Prozess verstanden worden, sondern nur noch als kontrollierte und bestrafte Objekte.

Heimkinder haben laut Münch von Stigmatisierung, beruflicher Benachteiligung und geringer Rentenerwartung berichtet. »Die vielfachen Erfahrungen von Gewalt, Bestrafung und Demütigung und der Mangel an menschlicher Fürsorge und Wärme in einer Lebensphase, in der junge Menschen besonders darauf angewiesen sind, finden ihren Niederschlag häufig in massiven psychischen Störungsbildern.«

Im Zuge der Aufdeckung eines geradezu systematischen Kindsmissbrauchs in bundesdeutschen Heimen nahm sich die Aufarbeitung der DDR-Kinderheime an. Dies stand in einem auffälligen zeitlichen Zusammenhang. Nachweisbar ist, dass auch heute die Heimunterbringung von Kindern erheblichen Störungen verursachen kann.

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