Bei Zahlungsrückstand leichter kündbar

Mieter in Sozialwohnungen

  • Lesedauer: 3 Min.
Mieter von Sozialwohnungen können wegen eines Zahlungsrückstandes schneller gekündigt werden als Mieter von nicht geförderten Wohnungen. Das geht aus einem am 9. Mai 2012 verkündeten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe hervor (Az. VIII ZR 327/11).

Wurde ein Mieter nach Nebenkostenerhöhung zur Zahlung des erhöhten Betrages verurteilt, darf der Vermieter ihm frühestens zwei Monate später wegen Zahlungsverzuges kündigen. Nun entschied der BGH, dass diese Mieterschutzregelung bei preisgebundenem Wohnraum nicht gilt!

Der Fall: Eine Mieterin einer Sozialwohnung in Hamburg hatte sich geweigert, eine höhere Betriebskostenvorauszahlung zu entrichten. Der Vermieter hatte die monatlichen Vorauszahlungsbeträge um 30,50 Euro erhöht. Die Mieterin zweifelte die Richtigkeit der Abrechnung und damit zugleich die Erhöhung an und zahlte auch weiterhin nur den alten Betrag. Nach Erreichen eines entsprechenden Zahlungsrückstandes kündigte der Vermieter der Mieterin außerordentlich.

Diese hielt die Räumungsklagen für rechtswidrig. Nach den gesetzlichen Regelungen müsse bei einem Streit über einen Zahlungsrückstand bei Mieten oder Betriebskosten erst ein Gericht den Streit klären, bevor eine fristlose Kündigung ausgesprochen wird.

Vor Gericht unterlag zunächst der Vermieter: Die Richter waren davon ausgegangen, dass die Mieterschutzvorschrift auch auf preisgebundene Wohnungen angewendet werden kann.

Hintergrundinformation: Für die außerordentliche fristlose Kündigung eines Mietvertrages muss ein wichtiger Grund vorliegen. Das Gesetz nennt als solchen unter anderen einen Zahlungsverzug des Mieters mit zwei Monatsmieten in Folge oder mit einem Betrag, der der Miete für zwei Monate entspricht. Wird der Mieter gerichtlich zur Zahlung einer Miet- oder Nebenkostenerhöhung verurteilt, muss der Vermieter nach § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB noch zwei Monate warten, ehe er ihm wegen Zahlungsverzuges kündigt. Ansonsten ist die Kündigung unwirksam.

Das Urteil: Der Bundesgerichtshof wies diese Ansicht zurück. Die Mieterschutzvorschrift über die Wartefrist sei aus anderen Gesetzen in das BGB übernommen worden. Darin sei ihre Anwendbarkeit auf frei finanzierte Wohnungen beschränkt gewesen.

Auf preisgebundene Wohnungen könne sie nicht entsprechend angewendet werden. Hier sei die Miete nach oben anderweitig begrenzt und der Mieter ausreichend geschützt. Bei entsprechendem Rückstand sei eine Kündigung ohne Wartefrist bei preisgebundenen Wohnungen zulässig.


Deutscher Mieterbund zum Urteil: Unterm Strich weniger Rechte

»Das Urteil ist problematisch. Im Bereich der Sozialwohnungen drohen neue Streitigkeiten und Rechtsunsicherheiten«, kommentierte der Direktor des Deutschen Mieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs. »Mietern in Sozialwohnungen droht die Kündigung, wenn sie die Erhöhung von Betriebskostenvorauszahlungen nicht zahlen. Damit haben sie unterm Strich weniger Rechte als Mieter in frei finanzierten Wohnungen.«

Das Urteil sei nur schwer nachvollziehbar, so der DMB-Direktor weiter, »zumal bei frei finanzierten Wohnungen die Rechtslage offensichtlich anders ist. Hier bestimmt das Gesetz, dass Mieter nur dann fristlos gekündigt werden können, wenn sie rechtskräftig zur Zahlung einer erhöhten Miete verurteilt worden sind. Es macht aus meiner Sicht aber keinen Sinn, Mietern in Sozialwohnungen weniger Rechte zu geben als Mietern in frei finanzierten Wohnungen.« DMB

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