Die Angst vor den Kommunisten

Wolfgang Wippermann prangert eine Heilige Hetzjagd an

  • Uli Gellermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Da war doch was? Vor gut einem Jahr hatte die Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, gewagt, ein wenig über den Begriff KOMMUNISMUS nachzudenken. Und ein Sturm des gespielten Entsetzens, der hochroten Empörung und der unsittlichen Entrüstung toste durch das Land. Heute legt der Berliner Geschichtsprofessor Wolfgang Wippermann sein Buch »Heilige Hetzjagd« auf den Ladentisch und stellt kühl und leicht belustigt zur »Ideologiegeschichte des Antikommunismus« fest, dass diese heute noch funktioniert, obwohl es fast keine Kommunisten mehr gibt - sieht man von den chinesischen Parteichefs ab, die von Frau Merkel untertänigst besucht werden, und deren Besuche keine Entsetzensstürme in Medien auslösen.

Doch vor die Erheiterung haben die Götter die Recherche gesetzt. Deshalb erinnert Wippermann an die »Communisten-Verschwörung«, die 1853 ein preußischer Polizeidirektor erfunden hatte, der später zum ersten Chef eines deutschen Nachrichtendienstes aufstieg. Der Autor erklärt, wie Marx das Fake der »Verschwörung« zur Verbreitung seiner Ideen genutzt hatte, und kommt sodann auf die Verquickung von Antikommunismus und Antisemitismus zu sprechen, so beim Hofprediger Adolf Stoecker, der »jüdische Funktionäre« in der SPD anprangerte und fürchtete, dass die nun das Programm des »Juden Marx« verbreiten würden. Wippermann grub das 1924 erschienene Buch mit dem wunderbare Titel »Der Bolschewismus von Moses bis Lenin« wieder aus, erinnert an den Begriff der »Jüdisch Bolschewistischen Weltverschwörung« und ordnet den »Kommissarsbefehl«, den Mord an Polit-Offizieren der Roten Armee in die lange Linie der Verbindung von Rassismus und Antikommunismus ein. Bitter merkt der Faschismusforscher an, dass dem ideologischen Vernichtungskrieg der Deutschen im Osten kein offizielles Schuldbekenntnis folgte.

Dass der Antikommunismus eine blutige Ideologie war, belegt Wippermann auch am Beispiel des Spanienkrieges 1936 bis 1939. Ob in Chile, in Südafrika oder Italien - unter der Flagge des Antikommunismus wurde der Mord an Menschen zur gerechten, wenn nicht gar heiligen Sache verklärt, selbst wenn es gar keine Kommunisten waren, die man verfolgte. Das gilt ganz besonders für die »Saison der Hackmesser« in Indonesien 1965, der wahrscheinlich eine halbe Million Menschen zum Opfer fiel und unter denen kaum Kommunisten waren. Der Massenmord diente der Inthronisierung des späteren Diktators Suharto, der ein guter Freund des Westens wurde und dessen Verbrechen bis heute keinen internationalen Gerichtshof beschäftigen.

Wippermanns Buch ist sehr verdienstvoll. Mit einer Fülle von Fakten entlarvt er den Antikommunismus als verbrecherische Ideologie und Instrument zu Herrschaftsausübung. Zwei Themen hätten noch Platz finden sollen: zum einen, wie dem jüngsten Objekt des deutschen Antikommunismus, der Linkspartei, Antisemitismus angehängt wird; zum anderen, wie es gelang, die Bevölkerung der DDR unter den Generalverdacht des Kommunismus zu stellen, obwohl es dort weder Kommunismus noch eine KP gab.

Wolfgang Wippermann: Heilige Hetzjagd. Eine Ideologiegeschichte des Antikommunismus. Rotbuch Verlag, Berlin. 160 S., br., 9,95 €.

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