Rezension: Zwei Seiten der Angst

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 1 Min.
Die Zeit heilt alle Wunden. Wer rastet, der rostet. Ein Indianer kennt keinen Schmerz - wer hätte die Sprichworte nicht schon gehört oder selbst benutzt? Um ein Verhalten bestätigt zu finden oder einen Mitmenschen zu trösten. Aber was sagen wir da eigentlich?

Walter Schmidt, Geograf, Journalist und nd-Autor, hat sich durch diese Frage bereits zum zweiten Mal zum Verfassen eines höchst unterhaltsamen, vergnüglich zu lesenden und nebenbei lehrreichen Buches animieren lassen. Ohne Angst, die Aufgabe nicht zu bewältigen, denn wie der Mann aus seinen Recherchen weiß, ist Angst eine schlechte Ratgeberin. Jedenfalls gilt das für Situationen, die der des Kaninchens ähneln, das sich plötzlich einer Schlange gegenübersieht und erstarrt. Auch beim Menschen können Stresshormone das Herz losjagen lassen und bewirken, »dass die Pupillen sich weiten und die Muskeln sich anspannen, während gleichzeitig die Leber Energiereserven flottmacht«. Der Neurobiologe Gerald Hüther meint, dass man sich in solcher Lage gegen Panik stemmen sollte. Angst sei hier keine gute beraterin, weil das Hirn in einer solchen Situation auf erprobte Notlösungen zurückgreife, die nicht kreativ seien. Andererseits kann der Mensch an furchteinflößenden Herausforderungen reifen und über sich hinauswachsen, kann Angst ihn zu nötigen Änderungen im Leben veranlassen.

Mit der gründlichen Untersuchung der Herkunft und Aussagekraft von 38 Sprichwörtern hat der der Autor ein von ihm selbst analysiertes ad absurdum geführt. Es heisst »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold«.

Walter Schmidt: Morgenstund ist ungesund, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 239 Seiten, 8,99 €.

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