600 Euro teure Unterschrift
Amtsgericht verurteilt Castor-Gegner zu einer Geldstrafe
Das Amtsgericht Lüneburg hat am 18. Juni den Heidelberger Anti-AKW-Aktivisten Hermann Theisen zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt, weil er die Absichtserklärung »Castor? Schottern! 2010? mit unterzeichnete. Dort hatten circa 1000 Aktivisten bekundet, zur Verhinderung der Castortransporte ins Wendland Steine aus dem Gleisbett der Bahn entfernen zu wollen. Das Gericht folgte der Auffassung der Staatsanwaltschaft, dass er damit zur Störung öffentlicher Betriebe aufgerufen habe.
Die Verteidiger von Theisen argumentierten dagegen, dass es während der Castortransporte keinen öffentlichen Bahnverkehr gegeben habe. Zudem sei die Absichtserklärung kein Aufruf, sondern eine Erklärung zum eigenen Handeln gewesen.
Bereits Mitte März war Gotthilf Lorch wegen der Aufforderung zu einer Straftat zu Geldstrafen verurteilt worden (»nd« berichtete), am 31. Mai ebenso Olaf Meyer. Während das Gericht bei Meyer allerdings die Buße in 16 Tagessätze aufgliederte, verhängte das Gericht gegen Theisen 15 Tagessätze. Diese kleine Differenz kann juristische Folgen haben.
Bei bis zu 15 Tagessätzen kann das Gericht entscheiden, ob es eine Revision zulässt oder diese wegen Geringfügigkeit ablehnt. Ab 16 Tagessätzen ist ein zweites Verfahren zwingend vorgeschrieben, wenn eine der Prozessparteien dies fordert.
Hermann Theisen spricht deshalb von juristischen Tricks und will gegen eine mögliche Ablehnung der Revision Rechtsmittel prüfen lassen. Auch politisch gibt sich Theisen kämpferisch.
»Meiner Meinung nach liegt weder ein Aufruf vor, noch stellt Schottern eine Straftat dar. Ich habe mit meiner Unterschrift meinen Widerspruch zur herrschenden Atompolitik öffentlich bekundet. Schottern ist eine Aktionsform unter vielen, deren Ziel es ist, den Castortransport zu verzögern, um den gesellschaftlichen Widerstand gegen die menschenverachtende Atomenergie sichtbar zu machen«, sagte er unmittelbar nach dem Urteil.
Die Pressesprecherin der Kampagne »Castor? Schottern!«, Hannah Spiegel, sieht die Justiz in der Defensive: »Das Urteil lässt darauf schließen, dass die Justiz einerseits die Prozesse um »Castor? Schottern!« vom Tisch haben will, da ihnen klar ist, dass sie rechtlich schlechte Karten haben. Andererseits würde aber eine Einstellung oder gar ein Freispruch ihre Hetze gegen »Castor? Schottern!« als politische Kriminalisierung und Einschüchterung entlarven.«
Für die große Mehrheit der Unterzeichner wird ihre Unterschrift unterdessen keine juristischen Folgen haben, betont Spiegel. Allerdings stehen noch gerichtliche Verfahren gegen mehrere Personen an, die Plakate zur Aktion »Castor? Schottern!« geklebt haben sollen.
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