Demokratie heucheln

Kommentar von Uwe Kalbe

  • Lesedauer: 2 Min.

Für den von Kritikern wie der LINKEN befürchteten Demokratieverlust, der im Fiskalpakt angelegt sei, gab es am Donnerstag schon mal einen kleinen Vorgeschmack. Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte den Bundespräsidenten auf, seine Unterschrift unter den Vertrag in der von der Bundesregierung erwarteten Frist, also im Prinzip unverzüglich nach Verabschiedung, zu leisten. Der Normalbürger mag die Anmaßung, die in dieser Nötigung steckt, vielleicht gar nicht besonders ernst nehmen. Dafür hat die Politik inzwischen ein solches Maß der Eigenermächtigung erreicht, dass die Betroffenen ihre Ergebnisse schon als höhere Gewalt hinzunehmen gewöhnt sind. Erst recht, wenn es nicht um eigene Rechte, sondern die abstrakten Rechte eines Verfassungsorgans geht.

Der Bundespräsident hat nicht viel zu sagen, erst recht, wenn er nichts Vernünftiges zu sagen hat. Sein einziges Machtmittel ist jene Unterschrift, mit der er Verträgen und Gesetzen ihre Rechtsgültigkeit verleiht. Man kann wenigstens erwarten, dass dies in der Verantwortung um ihre Wirkungen geschieht. Hinweise, die daran zweifeln lassen, dürfen nicht, sondern müssen zu Vergewisserung durch den Präsidenten führen. Da dies im Fall des Fiskalpakts von berufener Seite des Verfassungsgerichts quasi angekündigt ist, grenzte es an Amtsmissbrauch, dies zu ignorieren. Kauder, der das Gegenteil verlangt, macht sich damit verbal den Präsidenten und nebenher die Demokratie untertan. In dieser Klarstellung läge dann mal ein aufklärerischer Nutzen des angeblich so hohen Amtes.

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