Talent

  • Bernd Zeller
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Wechsel des ehemaligen Fernsehstars Thomas Gottschalk aus dem Vorabend in die Jury einer RTL-Castingshow mit Dieter Bohlen ist richtungsweisend. Denn hier zeigt sich der Weg, wie es gelingt, die Zielgruppe zu erreichen, auch wenn man ihr selbst gar nicht mehr angehört.

Zielgruppe sind die jungen Menschen, das sind eigentlich alle, aber hauptsächlich die bis 49, da die Werbung für junge Menschen über 49 weitgehend überflüssig ist, weil es sich dabei um Produkte handelt, die diese Bevölkerungsschichten sowieso brauchen.

Die restlichen jungen Menschen müssen gesagt kriegen, was sie konsumieren sollen, denn sie müssen überhaupt alles gesagt kriegen, es darf nur nicht so aussehen. Deshalb erfreuen sich die Castingshows solcher Beliebtheit, besonders die mit einer garstigen Jury-Besetzung. Dieter Bohlen oder Heidi Klum möchte man nicht als Freunde, als Identifikationsfiguren für Erfolg indes sind sie unersetzlich, weil man sonst keine hat.

Für junge Menschen, die geplagt sind von Ethikunterricht und längerem gemeinsamen Lernen, bedeutet es eine persönliche Aufwertung, von Dieter Bohlen heruntergeputzt zu werden. Für die Zuschauer bedeutet es ebenfalls eine persönliche Aufwertung, dabei zusehen zu können, und für Thomas Gottschalk, daneben sitzen zu dürfen. Alle können sich ernstgenommen fühlen.

Genau genommen fast alle; nämlich bis auf den einen, der den Talentausscheid gewinnt und fünf Wochen als Supertalent durch die Republik, also die Medien, geschoben wird. Der hat die Entwürdigung zu erdulden, die darin besteht, sich Prominenz als Ersatz für eine wie auch immer geartete Qualität bieten zu lassen.

Ältere Radiohörer haben noch eine Erinnerung an eine Entertainment-Qualität bei Thomas Gottschalk, die er sich im Laufe seiner Karriere abgewöhnt hat, weshalb er für seine Vorabendshow noch hätte üben müssen. Jetzt hegt er vermutlich die Hoffnung, selbst entdeckt zu werden.

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