»Macht am Rhein« versenkt

Dreigeteilt und entmachtet: WestLB wird heute aufgelöst

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Um Mitternacht verschwindet die einst mächtige und früher global zockende WestLB vom Bankenmarkt. Doch bei der Zerschlagung der einst zweitgrößten Bank Deutschlands bleibt manches Geschmäckle.

Sie galt als »Macht am Rhein«, hielt Beteiligungen an Großkonzernen, war wichtiges Instrument sozialdemokratischer Strukturpolitik. Ihr langjähriger Chef Friedel Neuber wurde ehrfurchtsvoll »roter Pate« geheißen: Er war einer der einflussreichsten Männer Nordrhein-Westfalens (NRW), betrieb »Landschaftspflege« durch die Vergabe von Pöstchen und Einladungen zu Gelagen und Jagdausflügen. 300 Milliarden Euro Bilanzsumme, 9000 Mitarbeiter, zweitgrößte Bank Deutschlands, Niederlassungen in Moskau, Paris, London und Peking, ferner in Hongkong und Rio - das war die WestLB zu ihren Hochzeiten.

»Sie beherrschte ein Bundesland und wollte auf der ganzen Welt mitspielen. Sie wollte zu groß sein«, fasst die »Financial Times Deutschland« die Geschichte der WestLB zusammen, deren Abstieg mit hochriskanten Aktiengeschäften begann und sich im Zuge der globalen Finanzkrise fortsetzte. Nun ist die 1969 als Zusammenschluss zweier Sparkassen-Landesbanken entstandene Kreditzentrale Geschichte: Heute um Mitternacht beendet die WestLB ihre Existenz, zerschlagen auf Geheiß der EU-Kommission, dreigeteilt in eine Verbundbank, einen Finanzdienstleister und den Rest, der in der hauseigenen Bad Bank namens Erste Abwicklungsanstalt (EAA) entsorgt werden muss.

Die Verbundbank soll den Sparkassen in Rheinland und Westfalen bei größeren Krediten und beim Zahlungsverkehr unter die Arme greifen. Sie muss unter das Dach der hessisch-thüringischen Landesbank (Helaba) schlüpfen, die nunmehr für 40 Prozent des deutschen Sparkassengeschäftes dienstleisterisch tätig wird.

Formeller Rechtsnachfolger der WestLB wird ein Finanzbranchendienstleister namens Portigon mit anfangs 3000 Stellen, von denen zwei Drittel binnen vier Jahren abgebaut werden. 2016 soll Portigon an einen Privatinvestor veräußert werden, bis dahin haftet das Land NRW für Pleiterisiken - und buttert eine Milliarde Euro für die Anfangsbilanz bei. Das Geschäftsmodell lautet: Portfoliomanagement für die Finanzbranche. Offenbar ist Portigon besonders an Großaufträgen von Bad Banks interessiert - darunter der EAA, vielleicht aber auch jener der verstaatlichten Hypo Real Estate.

Der große Rest der WestLB wird in der EAA entsorgt. Bund, Land und Sparkassenfamilie haften. Zum Schluss gab es noch ein Gefeilsche um die zu schulternden Risiken in Höhe von 18 Milliarden Euro, von denen NRW die Hälfte, die Sparkassen ein Drittel und der Bund ein Sechstel übernimmt.

Am Mittwoch - drei Tage vor ihrem Entschwinden - veräußerte die WestLB noch schnell ein Kreditpaket an die US-Bank Wells Fargo. Es umfasst ein Volumen von knapp fünf Milliarden Euro - eine Art »Dispokredit«, gedacht für Zwischenfinanzierungen von Private-Equity-Fonds, jene im Volksmund »Heuschrecken« genannten Gebilde. Dieser Geschäftsbereich sei immer eine besondere Stärke der WestLB gewesen, betonte WestLB-Vorstand Werner Taiber.

Über den Kaufpreis macht die Bank kein Angaben: »Darüber herrscht das branchenübliche Stillschweigen«, so ein Banksprecher auf »nd«-Nachfrage. Die Geldsumme werde an Portigon überwiesen. Wells Fargo ist - die Marktverwerfungen nutzend - derzeit auf Schnäppchenjagd in Europa.

Die Filettierung der lukrativen Bestandteile der WestLB werde damit fortgesetzt, ärgert sich Rüdiger Sagel, Finanzexperte der Linkspartei in NRW. Einerseits wolle die WestLB so ihre Endbilanz verschönen. Andererseits würden auch die Verluste von bestimmten privaten Investoren befriedigt und von der Allgemeinheit bezahlt, so Sagel. »Auch bei diesem Deal profitieren nur Private und in Kürze vermutlich der WestLB-Vorstand, der sich für seine Abwicklungsgeschäfte mit Millionen abfinden lassen wird.«

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