Wien stimmt für den Rettungsschirm

Grüne verhelfen Regierung zur Verfassungsmehrheit

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Opposition gegen die euphemistisch »Europäischen Stabilitätsmechanismus« genannte Banken- und Spekulationshilfe meldete sich im österreichischen Parlament nur von rechts. Die Grünen dagegen sorgten am Mittwoch für eine Verfassungsmehrheit der Regierungskoalition aus Sozialdemokraten (SPÖ) und Christkonservativen (ÖVP).

Wochenlang hatten SPÖ-Kanzler Werner Faymann und ÖVP-Vize Michael Spindelegger Verhandlungen mit dem Ziel geführt, die Zustimmung von einer der für die Zweidrittelmehrheit notwendigen Oppositionsparteien zu erhalten. Die Grünen gaben sie am billigsten. Dies ist - auch - ihrer Überzeugung geschuldet, im »Stabilitätsmechanismus« eine Solidaritätsaktion für darbende Brüder und Schwestern im Süden zu imaginieren. Die Bedingungen für die Zustimmung der 20 grünen Mandatare aber sind verwaschen und zeugen von extremer politischer Defensive. In angeblich harten Verhandlungen rangen sie der Regierungskoalition Zusagen ab, sich auf EU-Ebene für eine Finanztransaktionssteuer auf spekulative Börsengeschäfte sowie die Abhaltung eines sogenannten »Europa-Konvents« einzusetzen.

Letzterer soll Instrumente für mehr direkte Demokratie verabschieden, was insofern eine Ironie der Geschichte darstellt, weil es gerade die Grünen waren, die einer Forderung nach Volksabstimmung zum ESM eine Absage erteilt haben. Wie auch immer das Engagement der Regierung für Transaktionssteuer und Europa-Konvent konkret ausschauen wird, von der österreichischen Oppositionsbank ist weder das eine noch das andere durchzusetzen.

Auch der Stolz über ein vereinbartes Mitspracherecht des Parlaments bei zukünftigen Entscheidungen des ESM kann sich nur aus einer gewissen Wirklichkeitsverweigerung speisen. Denn einmal - übrigens von der Exekutive, nicht der Legislative EU-Europas - ins Werk gesetzt, agiert der ESM nach seinen eigenen Regeln. Und diese sehen klipp und klar eine Kapitaldemokratie nach Vorbild des IWF vor. Nur Deutschland, Frankreich und Italien werden wegen eines Kapitalanteils von über 15 Prozent künftig in der Lage sein, ein Veto gegen Beschlüsse des ESM einzulegen.

Österreichische parlamentarische Entscheidungen können dabei keine Rolle mehr spielen, weil im Dringlichkeitsfall eine 85-prozentige Mehrheit - berechnet nach Kapitaleinlage - zur Durchsetzung von Kreditvergaben oder Stützungskäufen genügt. Erste kritische Stimmen aus Finnland und den Niederlanden, die sich gegen Ankäufe von Staatsanleihen durch den ESM ausgesprochen haben, scheitern, so sie alleine bleiben, an den Mehrheitsverhältnissen.

Österreich steht für den ESM mit 41 Milliarden Euro gerade, das sind zwei Drittel der Einnahmen eines gesamten Jahresbudgets im allgemeinen Haushalt. Nicht nur die hohe Summe, auch die Struktur des ESM mit seiner Unterordnung unter den IWF, dem er als eine Art regionale Institution beigegeben wird, lässt viele kritische Stimmen laut werden. Anders als in Deutschland sind diese im parlamentarischen Kontext nur von Seiten der FPÖ und des liberal-nationalen BZÖ zu hören. Mit - gescheiterten - Misstrauensanträgen gegen den Kanzler und mehrere Minister sowie der Losung, »Verrat an Österreichs Steuerzahlern« zu begehen, machten die Rechten auf sich aufmerksam. Eine Analyse über den Unsinn von Bankenrettung und Spekulationsanheizung in Krisenzeiten war im Plenarsaal am Wiener Ring nicht zu hören.

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