Ganztags für alle

Sachsen-Anhalt verbessert Kinderbetreuung

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
In Sachsen-Anhalt sollen wieder alle Kinder ganztags eine Kita besuchen - zehn Jahre, nachdem eine ganz große Koalition den Anspruch beschnitt.

Kitas, darüber muss in Deutschland nicht mehr gestritten werden, sind Bildungseinrichtungen. Eine Frage, die sich in Sachsen-Anhalt zehn Jahre lang stellte, lautet: Benötigen die Kinder von arbeitslosen Eltern weniger Bildung als alle anderen Kinder? Eine 2002 von der damaligen CDU / FDP-Koalition mit Unterstützung der oppositionellen SPD beschlossene Gesetzesnovelle legt den Eindruck nahe: Sie billigte den einen acht und den anderen nur fünf Stunden Kitabesuch zu. Der Aufruhr war erheblich; ein Volksentscheid, den auch die damalige PDS unterstützte, scheiterte 2005 aber an zu geringer Beteiligung.

Gehadert mit ihrer Entscheidung hat seither aber auch die SPD. Und weil sich inzwischen selbst in Teilen der CDU die Überzeugung durchgesetzt hat, dass damals am falschen Ende gespart wurde, soll jetzt die Novelle der Novelle auf den Weg gebracht werden. Der Landtag in Magdeburg berät diese Woche erstmals den Entwurf der rot-schwarzen Regierung für ein Gesetz, das den Ganztagsanspruch wieder einführt - wenn auch nur schrittweise. In den Kitas gilt er ab August 2013, in Krippen ein Jahr später.

Minister schluckte

Die Gründe dafür sind finanzieller Art. SPD-Finanzminister Jens Bullerjahn hatte ohnehin schwer geschluckt, als er erste Berechnungen seines Parteifreunds, des Sozialministers Norbert Bischoff, zu Gesicht bekam. Zwar ist unklar, wie viele bisher nur halbtags betreute Kinder - laut Ministerium 29 100 von insgesamt 85 800 - tatsächlich künftig länger in die Kita kommen. In der Koalition besteht aber Einigkeit, dass auch die Arbeitsbedingungen der Pädagoginnen verbessert werden müssen. Zudem will vor allem die CDU Familien mit mehreren Kindern entlasten, was allein 4,2 Millionen kostet. In Summe muss das Land 2013 zehn Millionen Euro mehr ausgeben; 2016 steigt der Betrag auf zusätzliche 51 Millionen.

Die LINKE, die zunächst mit der Aufnahme des Themas Ganztagsanspruch in den Koalitionsvertrag ein eigenes Anliegen als praktisch erfüllt angesehen hatte, bringt nun doch einen eigenen Gesetzentwurf ein. »Es wäre falsch, auf der Zielgeraden den Druck zurückzunehmen«, sagt Fraktionschef Wulf Gallert. Fortwährende Scharmützel in der Koalition um die Details des Gesetzes bestärken ihn zudem in der Überzeugung, dass zumindest Teile von Schwarz-Rot den Schritt »eher widerwillig als aus vollster Überzeugung« gehen.

Mehr Personal nötig

Die Genossen drängen mit ihrer Vorlage vor allem darauf, die Rückkehr zur Ganztagsbetreuung auf einen Schlag ab August 2013 zu vollziehen. Die weit höheren Mehrkosten von 29 Millionen im ersten und 70 Millionen ab dem nächsten Jahr ergeben sich allerdings nicht aus diesem Ziel: Die Ganztagsbetreuung für alle, heißt es, sei überraschend preiswert zu haben. Die LINKE will aber auch den Betreuungsschlüssel ehrlicher finanzieren. Bisher arbeitete eine Pädagogin auf dem Papier neun Stunden, obwohl sie acht Stunden Kinder betreute. Damit stimmte auch der Betreuungsschlüssel nur auf dem Papier. Nach Vorstellung der Genossen soll das korrigiert werden, was aber bedeutete, dass mehr Personal benötigt wird - von 700 neuen Mitarbeiterinnen geht Bildungspolitikerin Monika Hohmann aus. Weitere 800 würden benötigt, um den Pädagoginnen drei Stunden zur Vor- und Nachbereitung etwa von Elterngesprächen zu gewähren. Die Koalition plant sogar fünf Stunden.

Folge wäre, dass im Land viel zusätzliches Personal benötigt würde. Bisher arbeiten in 1900 Kitas rund 12 000 Pädagoginnen, viele in Teilzeit mit weniger als 32 Stunden. Selbst wenn alle ihr Pensum aufstockten, könnte der Mehrbedarf so nicht gedeckt werden. Gallert schätzt, dass mindestens 300 neue Mitarbeiter benötigt würden.

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