Im Interesse des Landes?

Eine Razzia bei Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus stürzt die Südwest-CDU in tiefe Krise

  • Gesa von Leesen, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Verfassung gebrochen, Marionette eine Bankers, dem Land geschadet - der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg Stefan Mappus (CDU) muss wegen des Kaufs von EnBW-Aktien durch das Land einiges verkraften. Vorläufiger Höhepunkt: Die Staatsanwaltschaft hat wegen des Verdachts der Untreue Mappus' Wohnung und Büro durchsucht.

Ermittlungen gegen einen ehemaligen Ministerpräsidenten - das hat es in Baden-Württemberg noch nie gegeben. Entsprechend groß war der Schock, als die Nachricht über die Ticker lief. Im Landtag debattierte man gerade über den Filderdialog, ein Unterthema zu Stuttgart 21. Das ging unter, ein Abgeordneter nach dem anderen klappte seinen Laptop auf oder ließ sich von seinen Banknachbarn informieren. Kopfschütteln, ratlose Gesichter - Bestürzung machte sich in den Reihen der Christdemokraten breit.

Ihr Fraktionsvorsitzender Peter Hauk sah sich schließlich gezwungen, der Presse Rede und Antwort zu stehen. Hauk beeilte sich zu erklären: »Ich glaube nicht, dass das ein Desaster für die CDU ist.« Seiner Ansicht nach befinde sich Stefan Mappus »in einer unangenehmen Situation«. Der Versuch, alles auf die Person Mappus zu schieben und die Partei außen vor zu halten, dürfte kaum gelingen. Die Zuspitzung rund um den EnBW-Deal wirkt wie ein Symbol für die Politik der CDU, die bis zum März 2011 das Land fast 60 Jahre lang regiert hat. Vetternwirtschaft, Arroganz, Selbstgerechtigkeit - diese gern geäußerten Vorwürfe gegen die Südwest-Christdemokraten scheinen sich gerade zu bestätigen.

Rückblende: Im Dezember 2010 stand Mappus unter starkem Druck. Seine bullige Art kam in der Öffentlichkeit sowieso nicht gut an, der viel kritisierte Wasserwerfereinsatz gegen Stuttgart-21-Demonstranten ebenso wenig. In Umfragen für die anstehende Landtagswahl sackten die Christdemokraten bis auf 28 Prozent ab. Mit dem Kauf der EnBW-Aktien vom französischen Konsortium EdF wollte Mappus Stärke beweisen. Ohne vorher das Parlament zu fragen, gab er für 45 Prozent der Aktien 4,7 Milliarden Euro Steuergelder aus. Gemanagt hatte den Deal Dirk Notheis. Der war - das Amt lässt er derzeit ruhen - Deutschland-Chef der Investment-Bank Morgan Stanley und ein Freund von Mappus aus Junge-Unions-Zeiten. Der Frankreich-Chef von Morgan Stanley wiederum heißt René Proglio und ist der Zwillingsbruder des EdF-Chefs Henri Proglio. Nach einem sauberen Geschäft roch das alles nicht.

Die CDU verlor die Landtagswahl, Grün-Rot errang die Macht und nahm sich des Themas Aktienkauf an. Zunächst urteilte der Staatsgerichtshof, der EnBW-Deal sei ein Verfassungsbruch gewesen, weil das Parlament nicht einbezogen worden war. Dann kamen im EnBW-Untersuchungsausschuss Mails von Dirk Notheis ans Licht, die zeigen, wie sehr Mappus nach Notheis' Pfeife tanzte. Im Juni legte der Landesrechnungshof einen Prüfbericht vor, wonach der Preis für die Aktien nicht ordnungsgemäß ermittelt worden sei. Und vor zwei Tagen schließlich legte die Landesregierung das Gutachten eines Wirtschaftsprüfunternehmens vor. Inhalt: Der Kaufpreis war zu hoch, das Land hat 840 Millionen Euro zu viel bezahlt. Nun konnte die Staatsanwaltschaft nicht mehr anders. Ihre Ermittlungen richten sich auch gegen Notheis.

Die Südwest-CDU verharrt in Schockstarre. Wie soll sie sich verhalten? Soll sie Mappus aus der Partei werfen? Ein Christdemokrat nach dem anderen rückt vom einstigen Ministerpräsidenten ab. Als Mappus sich im August 2011 (erfolglos) in die Wirtschaft verabschiedete, schickte CDU-Landeschef Thomas Strobl ihm Lob und Dank »für seine jahrelange erfolgreiche Arbeit in und für unsere Partei und unser Land« hinterher. Von Erfolg lässt sich nun nicht mehr sprechen; mehr Nachhaltigkeit beinhaltet der zweite Satz von Strobls damaliger Erklärung: »Stefan Mappus ist sich selbst immer treu geblieben.« Der ließ seine Anwälte gestern erklären, dass der Tatbestand der Untreue nicht erfüllt sei. Und weiter: »Unser Mandant hat ausschließlich im Interesse des Landes gehandelt.«

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