Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern verfassungswidrig

Grunderwerbsteuerrecht

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Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe hat mit zwei Urteilen innerhalb kürzester Zeit die Rechte schwuler und lesbischer Lebenspartner gestärkt. Nach der Gleichstellung bei den Zuschlägen für Beamte (siehe Außenspalte) fordern die Richter nun Gleichbehandlung bei der Grunderwerbsteuer - und das rückwirkend ab 2001, seit dem Zeitpunkt, seit es den Namen »eingetragene Lebenspartnerschaft« überhaupt gibt.

Mit Beschluss vom 18. Juli 2012 hat das BVerfG entschieden, dass die Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern im Grunderwerbsteuerrecht verfassungswidrig ist (Az. 1 BvL 16/11).

Auf diese aktuelle Entscheidung geht der Kieler Steuerberater Jörg Passau vom Deutschen Unternehmenssteuer Verband (DUV) nachfolgend näher ein.

Gesetzgeber: Steuerrechtliche Gleichstellung schon 2010

Vorweg: Mit dem am 14. Dezember 2010 in Kraft getretenen Jahressteuergesetz 2010 hat der Gesetzgeber die eingetragenen Lebenspartner den Ehegatten hinsichtlich sämtlicher für sie geltenden grunderwerbsteuerlichen Befreiungen gleichgestellt. Diese Neufassung des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gilt jedoch nicht rückwirkend, sondern ist auf Erwerbsvorgänge nach dem 13. Dezember 2010 beschränkt.

Für alle noch nicht bestandskräftigen Altfälle ab Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes am 1. August 2001 gelten daher weiterhin die Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes in der Fassung von 1997 (GrEStG a. F.), das für eingetragene Lebenspartner - anders als für Ehegatten - keine Ausnahme von der Besteuerung des Grunderwerbs vorsieht.

Nach der für das Ausgangsverfahren maßgebenden Regelung des § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. ist der Grundstückserwerb durch den Ehegatten des Veräußerers von der Grunderwerbsteuer befreit. Von der Besteuerung ausgenommen ist auch der Grundstückserwerb im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung durch den früheren Ehegatten des Veräußerers (§ 3 Nr. 5 GrEStG a. F.). Ferner sieht § 3 GrEStG a. F. - vorwiegend aus güterrechtlichen Gründen - weitere Befreiungsvorschriften für Ehegatten vor.

Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind eingetragene Lebenspartner und schlossen im Rahmen ihrer Trennung 2009 eine Auseinandersetzungsvereinbarung, mit der sie sich wechselseitig ihre Miteigentumsanteile an zwei jeweils zur Hälfte in ihrem Eigentum stehenden Immobilien zum Zwecke des jeweiligen Alleineigentums übertrugen. Ihre gegen die jeweils festgesetzte Grunderwerbsteuer gerichteten Klagen führten zur Vorlage durch das Finanzgericht, das die Vorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz für verfassungswidrig hält.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat nunmehr entschieden, dass § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. sowie auch die übrigen Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG a. F. mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind, soweit sie eingetragene Lebenspartner nicht wie Ehegatten von der Grunderwerbsteuer befreien. Der Gesetzgeber hat bis zum 31. Dezember 2012 eine Neuregelung für die Altfälle zu treffen, die die Gleichheitsverstöße rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Einführung des Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft zum 1. August 2001 bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 beseitigt.

Wesentliche Erwägungen der aktuellen Entscheidung

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

1. Die Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern hinsichtlich der Befreiung von der Grunderwerbsteuer muss sich - neben den spezifisch steuerrechtlichen Ausprägungen des Gleichheitssatzes - an strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen messen lassen, weil die Differenzierung an die sexuelle Orientierung von Personen anknüpft. Hinreichend gewichtige Unterschiede, welche die Schlechterstellung der Lebenspartner im Grunderwerbsteuergesetz in der Fassung von 1997 rechtfertigen könnten, bestehen nicht.

Die Privilegierung der Ehegatten gegenüber den Lebenspartnern lässt sich nicht unter familien- und erbrechtlichen Gesichtspunkten rechtfertigen. Eingetragene Lebenspartner sind Ehegatten familien- und erbrechtlich gleichgestellt sowie persönlich und wirtschaftlich in gleicher Weise in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft miteinander verbunden.

Die der Steuerbefreiung zugrundeliegende gesetzgeberische Vermutung, dass Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten wie bei den ebenfalls steuerbefreiten nahen Verwandten häufig zur Regelung familienrechtlicher Ansprüche der Ehegatten untereinander oder in Vorwegnahme eines Erbfalls erfolgen, gilt daher ebenso für eingetragene Lebenspartner. Des Weiteren begründet die eingetragene Lebenspartnerschaft ebenso wie die Ehe eine gegenseitige Unterhalts- und Einstandspflicht, so dass die Ungleichbehandlung auch nicht mit einem aus besonderen rechtlichen Bindungen gespeisten Familienprinzip zu rechtfertigen ist.

Schließlich kann die Schlechterstellung der Lebenspartner gegenüber den Ehegatten auch nicht mit der in der Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz verankerten Pflicht des Staates, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern, gerechtfertigt werden. Geht die Förderung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertigt die bloße Verweisung auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht.

2. Es bestehe keine Veranlassung, so das Bundesverfassungsgericht, den Gesetzgeber von der Pflicht zur rückwirkenden Beseitigung der verfassungswidrigen Rechtslage zu entbinden. Insbesondere ist die Weitergeltung der für verfassungswidrig erklärten Befreiungsvorschriften nicht wegen einer zuvor nicht hinreichend geklärten Verfassungsrechtslage anzuordnen. Eine solche, von der grundsätzlichen Rückwirkung sowohl einer Nichtigkeits- als auch Unvereinbarkeitserklärung abweichende Anordnung kommt nur im Ausnahmefall in Betracht und bedarf einer besonderen Rechtfertigung.

Gesetzgeber ist verpflichtet zur rückwirkenden Änderung

Allein die Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts, dass ein Gesetz gegen Bestimmungen des Grundgesetzes verstößt, vermag indessen nicht ohne Weiteres eine in diesem Sinne zuvor ungeklärte Verfassungsrechtslage zu indizieren und damit den Gesetzgeber von einer Pflicht zur rückwirkenden Behebung verfassungswidriger Zustände zu befreien.

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