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Schau nach innen

Walter Kappacher im »Land der roten Steine«

  • Werner Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Wessely heißt er, der Protagonist aus Walter Kappachers neuem Roman. Ein vor der Pensionierung stehender österreichischer Arzt, der sich überlegt, wie sein Leben danach weitergehen soll. In kurzer Zeit hat er seine Eltern, seine frühere Frau und den guten Freund Hans Maxwald verloren, den er jüngst erst, nachdem sie sich Jahrzehnte aus den Augen verloren hatten, wiedergetroffen hat. Zurückgekehrt von seiner zweiten USA-Reise - nach Utah und in die dortigen Canyons. Das Leben in dieser einsamen Natur, so scheint ihm, könnte eine Alternative zum gewohnten Alltag bedeuten. Zumal auch seine Tochter Hanne seit längerem in den USA lebt ...

In drei unterschiedlich langen Kapiteln erzählt Kappacher - mal aus der Ich-Perspektive Wesselys, dann in der Er-Form - die Geschichte des Arztes. Es beginnt mit der Rückkehr von jener USA-Reise, mit Erinnerungssplittern und Rückblicken auf sein bisheriges Leben. Im zweiten und längsten Teil gibt Wessely uns seine Aufzeichnungen von der Reise in die Canyons zur Kenntnis, um im dritten Kapitel wieder in der Gegenwart nach der Reise anzukommen.

Es ist eine überaus leise Geschichte - ganz ähnlich dem vielfach ausgezeichneten Roman über Hofmannsthal, »Der Fliegenpalast« (2009), für den Kappacher den Büchner-Preis erhalten hat. Das Buch handelt vom Älterwerden, von den Möglichkeiten und Perspektiven eines Neuanfangs, aber auch von den Schwierigkeiten, ja dem Steckenbleiben im vertrauten Alltag. Wenn es nur so einfach wäre, dem Ratschlag zu folgen: Du musst dein Leben ändern! Warum schließlich auch? - Denn die wirklich entscheidenden Dinge im Leben reduzieren sich, so Wesselys Erkenntnis zum Schluss, auf einige wenige Augenblicke - und das Glück winkt um die Ecke der Erinnerung.

So war es im Rückblick auf jenen Moment während der Reise in die Canyons, als sich Wessely etwas zeigt, das die Empfindung der Erhabenheit in ihm auslöst, etwas, »das doch Materie war, Gestein, Form und gleichzeitig etwas wie strahlende, rätselhafte Energie. Seit unvorstellbaren Zeiten war es da gewesen, seit Ewigkeiten, so kann man Zeitläufe nennen, die dem Menschen unfassbar sind. Es zu schauen war wohl das höchste an Glücksgefühlen gewesen, was er je erlebt hatte, so als hätte er für einen Moment in das seit Anbeginn verlorene Paradies blicken dürfen.« Am Ende steht die Erkenntnis, »wie wenig wirklich Wesentliches es im Leben gibt; dass es darauf ankam, dies zu erkennen und sein Leben entsprechend einzurichten«.

Das klingt gar nicht resigniert oder auch nur skeptisch - im Gegenteil. Hier hat vielmehr jemand zu einer heiteren stoischen Weltanschauung gefunden - getreu jener Maxime Mark Aurels: Schau nach innen!

Walter Kappacher: Land der roten Steine. Roman. Hanser, 160 S., geb., 17,90 €.

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