Peking erwartet Ergebnisse

Vor den Regierungskonsultationen Deutschland - China

  • Werner Birnstiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Kurz vor dem 40. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Volksrepublik China am 12. Oktober 1972 - mit der DDR bestanden solche Beziehungen bereits seit dem 25. Oktober 1949 - ist Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut zu einem Spitzentreffen nach Peking aufgebrochen.

Geplante Ankunft der Regierungsmaschine aus Berlin: Donnerstagmorgen 7.40 Ortszeit (1.40 Uhr MESZ). Begleitet wird die Bundeskanzlerin von etlichen Ministern und Staatssekretären, denn auf dem Reiseprogramm stehen die jährlich vereinbarten Regierungskonsultationen. Nach der ersten Runde solcher Konsultationen im Juni 2011 ist dies die zweite. Chinas Regierung hat angekündigt, man werde mit 13 Ressorts vertreten sein. Eine gute Gelegenheit also, langfristig Weichen zu stellen - und dies nicht nur für das zweiseitige Verhältnis. Denn bilaterale Fragen sind stets direkt und indirekt mit der EU-Gesamtentwicklung und deren Schulden- und Bankenkrise verknüpft.

An die politischen Beziehungen geht Merkel ganz auf ihre Art pragmatisch heran. Das entspricht vollauf den chinesischen Vorstellungen: Wichtig sind zukunftsfähige Ergebnisse. Wenige Wochen vor dem 18. Parteitag der KP Chinas im Herbst und dem planmäßigen Personalwechsel in der chinesischen Führung werden Entwicklungsbereiche beraten, die für die Zusammenarbeit bis weit in die 20er Jahre dieses Jahrhunderts bedeutsam sein werden. Höflich, aber entschieden werden sich die Gastgeber dagegen verwahren, dass sich die Deutschen in ihre inneren Angelegenheiten einmischen, indem sie etwa Chinas Umgang mit dem »Konzeptkünstler und Regimekritiker« Ai Weiwei, der wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, zum politischen Streitthema stilisieren.

Kern des Miteinanders bleiben stattdessen die Wirtschaftsbeziehungen, die immer vielschichtiger und intensiver werden. Natürlich beobachtet auch Peking mit Sorge, wie sich die Staatsschulden- und Bankenkrise bei seinem bedeutendsten Exportpartner innerhalb der EU entwickelt. Gelassener betrachtet man dagegen die sogenannte Euro-Schwäche. Für China zählen die Stärke der Realwirtschaft, funktionierende politische Lenkungs- und Leitungsmechanismen und der wachsende wirtschaftliche Austausch bei zunehmender Vernetzung der EU-Mitgliedstaaten miteinander. Der Euro ist und bleibt für Peking die zweite Leitwährung nach dem Dollar. Der eigene Renminbi soll als dritte im Verlaufe der nächsten etwa 15 Jahre hinzukommen.

Alles andere als zufällig ist, dass Peking unmittelbar vor diesen Regierungskonsultationen deutlicher denn je darauf drängte, die Kooperation in Forschung und Entwicklung mit der EU, nicht zuletzt mit Deutschland auszubauen. Parallel zu den Großkonzernen engagieren sich derzeit etwa 5000 deutsche mittelständische Unternehmen in China. Für sie, aber auch für ihre chinesischen Partner, ist der Schutz geistigen Eigentums von immenser Bedeutung.

Sehr aufmerksam beobachten die Chinesen neuerdings auch das Herangehen der Deutschen an die Gestaltung der Energiewende. Zwar sind die Themenfelder nachhaltiges Wirtschaften, demografische Entwicklung, Urbanisierung und Mobilität bereits Gegenstand des politischen Dialogs, doch für die Zukunft ergeben sich durch die Einbeziehung des Komplexes Energiewende nahezu unbegrenzte Möglichkeiten für eine innovative Kooperation. Diskussionsthema wird bleiben, wie politisches und wirtschaftliches Potenzial ausdrücklich zum gegenseitigen Vorteil erschlossen wird.

Natürlich werden auch kontrovers betrachtete Themen wie der brutale Bürgerkrieg in Syrien oder die Politik gegenüber Iran zur Sprache kommen. Keine Seite ist aber daran interessiert, dass die gegensätzlichen Standpunkte dazu die Zusammenarbeit ernsthaft gefährden.


Zahlen & Fakten

  • Der Wert des Waren- und Dienstleistungsaustauschs zwischen Deutschland und China belief sich 2011 auf 145 Milliarden Euro.
  • Deutschlands exportierte nach China Waren und Dienstleistungen für 65 Milliarden Euro und importierte für 80 Milliarden Euro.
  • China belegte damit Platz 5 bei der deutschen Ausfuhr und Platz 2 bei der Einfuhr.
  • Die deutschen Exporte nach China wuchsen seit 1996 durchschnittlich um 17,8 Prozent jährlich.Für 2015 ist ein Handelsautausch von 200 Milliarden Euro avisiert. nd
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