Weltkulturerbe Kreml bedroht

An Moskaus Wahrzeichen wird an drei Standorten gebuddelt

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit 1990 stehen der Moskauer Kreml und der Rote Platz auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes. Schon im nächsten Jahr könnten sie diesen prestigeträchtigen Status verlieren.

Der Grund: Bauarbeiten, die der russische Staat - er ist laut Konvention für die originalgetreue Erhaltung der Objekte verantwortlich - ohne Abstimmung mit der Weltorganisation durchführen lässt.

Gebuddelt wird derzeit an drei Standorten. Am altehrwürdigen Kutafiya-Tor direkt an der Kremlmauer entstehen zwei neue Besucherpavillons mit Drehkreuzen, die den Einlass flüssiger gestalten sollen. Vor allem bei Kulturveranstaltungen im Kongresspalast des Kremls mit über 5000 Plätzen. Wer auf das Kremlgelände will, muss durch einen Metalldetektor und seine Handtasche hochnotpeinlich durchsuchen lassen. Außerdem entsteht auf dem Kreml-Territorium derzeit ein neuer Wirtschafts- und Versorgungstrakt. Vor allem aber wird das so genannte Korpus Nr. 14 von Grund auf rekonstruiert. Stalin hatte es von 1932 bis 1934 im neoklassizistischen Stil errichten und dafür 1929 zwei der ältesten Klöster Moskaus abtragen lassen. Zu sozialistischen Zeiten fanden in dem lang gestreckten, gelb getünchten Gebäude die Sitzungen des Obersten Sowjets statt, heute beherbergt es Pressedienst und Protokoll des Präsidenten.

Schon 2007, so Irina Saika, wissenschaftlicher Sekretär des Erbe-Rates beim Verband der Architekten Russlands, gegenüber der regierungsnahen Tageszeitung »Iswestija«, habe die UNESCO sich »tief beunruhigt« über den Erhaltungszustand des Kremls geäußert und einen detaillierten Bericht zur Umsetzung einschlägiger UNESCO-Empfehlungen sowie ein Entwicklungskonzept verlangt. Das Papier sei erst 2011 eingereicht worden und würde die wichtigsten Fragen der UNESCO-Kommission für das Weltkulturerbe nicht beantworten.

Diese habe gerade in St. Petersburg getagt und nur mit Rücksicht auf die Gastgeber habe man das heikle Kreml-Thema einfach umgangen. Dafür würde es bei der nächsten Tagung 2013 ganz oben an auf der Agenda stehen. Russland müsse mit knallharten Sanktionen rechnen, Streichung des Kremls von der Weltkulturerbeliste inklusive. Deren Wächter haben einen neuen Rapport verlangt. Termin: 1. Februar 2013.

Inzwischen hat sich auch Archnadzor in den Streit eingeklinkt: Eine Initiativgruppe Moskauer Bürger, die seit Jahren heftig kritisiert, wie die Stadtoberen mit dem historisch gewachsenen Stadtzentrum umgehen. Baufreiheit für Protz aus Glas und Stahlbeton wird dort notfalls per Brandstiftung geschaffen. Keiner der Neubauten auf dem Kremlgelände, rügte Archnadzor-Koordinatorin Natalja Samower, sei mit der UNESCO abgestimmt, Russland verstoße damit nicht nur gegen die Weltkulturerbe-Konvention sondern auch gegen die eigene Gesetzgebung.

Präsidentenamt und Kulturministerium können die Aufregung nicht verstehen. Archnadzor, so der Sprecher der Hauptabteilung für die Angelegenheiten des Präsidenten, führe die Öffentlichkeit bewusst in die Irre. Weder die Rekonstruktion von Korpus Nr. 14 noch der Bau des Wirtschaftsblocks hätten Auswirkungen auf das äußere Erscheinungsbild des Kremls. Die Bauarbeiten seien mit zuständigen Stellen abgestimmt worden, auch mit dem Kulturministerium. An das möge sich die UNESCO bitteschön wenden. Dort hieß es, die UNESCO sei chronisch beunruhigt über den Zustand von Denkmälern in Russland. Eine Kommission werde alles prüfen und den Bau notfalls stoppen.

Denkmalschützer hatten schon kurz nach 2000 den Bau eines Hubschrauberlandeplatzes auf dem Kremlgelände verhindert. Er hätte den Jahrhunderte alten Palästen und Kathedralen irreversiblen Schaden zugefügt.

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