Erzähl!

KZ Buchenwald soll Weltkulturerbe werden

  • Lesedauer: 2 Min.

Erbe ist nicht nur Geschenk, es ist unter Umständen auch Bürde. Nicht abschüttelbar. Lastend. Eine Mitnehmpflicht. So stehen auch Zeugnisse der Naziherrschaft - zwischen kulturbewusster Bewahrung und natürlicher Verwitterung - wie aufstörende Findlinge im Lande, benennen Schuld und Schande, stehen quer zur Geläufigkeit des Lebens, das Spuren eher tilgt als verstärkt.

Thüringens Regierung schlug jetzt vor, die KZ-Gedenkstätte Buchenwald zum UNESCO-Weltkulturerbe zu erklären. Der Präsident des Internationalen Buchenwald-Komitees, Bertrand Herz, lobte dies als »Würdigung der dort geleisteten Erinnerungsarbeit«.

In Buchenwald waren zwischen 1937 und 1945 rund 250 000 Menschen aus mehr als 50 Nationen inhaftiert, von denen bis zur Selbstbefreiung am 11. April 1945 etwa 56 000 zu Tode kamen. Geschunden, ermordet. Teile des Geländes waren bis 1950 von der sowjetischen Besatzungsmacht als Internierungs- und »Speziallager« genutzt. 1958 wurde die antifaschistische Gedenkstätte eröffnet; weit ins Land hinein sichtbar: der Glockenturm auf dem Ettersberg. Dazu Fritz Cremers Mahnmal. Die Barackenreste.

Jedes Bundesland kann für Erbe-Neuaufnahmen 2017 zwei Kandidaten benennen. Der Freistaat Thüringen bewarb sich bereits mit dem jüdischen mittelalterlichen Erbe Erfurts. Nun also Buchenwald. Die Stätten der Weimarer Klassik sind schon Weltkulturerbe, seit 1998 - und mit der Wahl Buchenwalds offenbart sich der unfassbare Januskopf menschlicher Möglichkeiten, das deutsche Doppelgesicht, Dichter und Denker, Richter und Henker.

Immer ist die Menschheit noch einmal davongekommen, die Opfer aber berichten eine andere Geschichte. Und das Grausame geschieht nicht vor und nach der Hochkultur, sondern inmitten. Das ist das wahre erschreckende Elend. Buchenwald, erzähl!, und hör nicht auf damit! hds

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