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Stromstau auf hoher See

Der Bau von Meereswindparks vor der deutschen Küste kommt noch nicht richtig in Fahrt

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Für den stockenden Ausbau der Offshore-Windparks vor den deutschen Küsten gibt es verschiedene Gründe.

Ohne Stromgewinnung auf hoher See gibt es keine Energiewende in Deutschland, so lautet eine gängige Meinung. In kaum einem Jahrzehnt sollen von der Nord- und Ostsee 10 000 Megawatt fließen - was etwa der Leistung der abgeschalteten Atommeiler entspricht. Doch der Bau von Meereswindparks vor der deutschen Küste kommt nicht richtig in Fahrt. Dafür gibt es technische Gründe und politische - bis vor kurzem war Investoren die vom Staat zugesicherte Profitrate zu niedrig.

Die Branche hinkt den ursprünglichen Planungen um Jahre hinterher; statt in Dutzenden »Parks« drehen sich heute erst in drei Anlagen Windräder. Trotz solcher Leuchtturmprojekte sind von den geplanten 10 000 Megawatt laut Windenergieverband BWE erst Anlagen zur Erzeugung von 200 Megawatt installiert. Auch an Land geht es nicht voran: Den Bedarf an neuen Übertragungsnetzen beziffert die Deutsche Energie-Agentur (Dena) auf bis zu 4500 Kilometer - von denen bisher nicht einmal 100 Kilometer fertiggestellt seien.

»Die bautechnischen Herausforderungen waren anfänglich unterschätzt worden«, erklärt Nico Nolte vom zuständigen Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg den schleppenden Start. Vor allem die raue Nordsee mit Wassertiefen um die 40 Meter und die großen Entfernungen bis zur Küste stellen Ingenieure vor größere Herausforderungen als das küstennahe Flachwasser vor der britischen Insel, den Niederlanden oder Schweden. Dort fließt seit längerem Seestrom.

Weil die zukünftigen Windräder weit draußen vor der deutschen Küste stehen werden, soll der Strom zuerst in Gleichstrom umgewandelt und dann erst an Land übertragen werden. Beim klassischen Wechselstrom - wie ihn ortsnahe Kraftwerke in die Haushalte schicken - wäre der Übertragungsverlust auf langen Strecken zu groß. Daher sollen schiffsgroße Plattformen für Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) auf hoher See errichtet werden. Bei einem Kurzschluss flössen jedoch plötzlich ungeheure Energien durchs Kabel. Im Notfall müssten Techniker daher alle Leitungen sofort abschalten, um ein Unglück zu vermeiden. »Und das geht heute nicht, wir haben keine Leistungsschalter (Sicherungen, Anm. d. Red.) für Gleichstrom bisher«, gab ein Sprecher des ABB-Konzerns in einem Interview kürzlich zu.

Neben ABB soll heutzutage nur Siemens ähnliches Know-how in Sachen Gleichstrom besitzen. Seit Mai 2011 lassen die Münchner eine HGÜ-Plattform auf der Nordic Yards Werft in Wismar errichtet - und hinken dem Vernehmen nach auch dort den Planungen anderthalb Jahre hinterher. Dabei hat Siemens schon mehr als 800 Windräder in seichtere Meere gestellt. Aber dort waren die Bedingungen einfacher, zeigt Thorsten Falk von der Stiftung Offshore-Windenergie Verständnis für den Stromstau. Man betrete »technologisches Neuland«. So soll der Strom dann auch von der Küste bis ins Ruhrgebiet oder nach Leipzig fließen. Aber auch dies, so Falk, sei nur mit Gleichstrom sinnvoll, da hier die Energieverluste am geringsten seien.

Doch der Stromstau auf hoher See hängt nicht allein an fehlenden Schaltern und Plattformen. Netzbetreiber, Energiekonzerne und Versicherer machten Druck auf die Politik, vordergründig weil einige Haftungsfragen offen waren. Umstritten ist vor allem die Haftung an der Schnittstelle zwischen dem Windpark und dem Netzbetreiber, der den Strom weit draußen im Meer abholen soll. Nun hat der Staat den fehlenden Haftungs- und Versicherungsschutz bereitgestellt. Ende August beschloss das schwarz-gelbe Bundeskabinett Offshore-Haftungsregeln. Im Schadensfall sollen nun die Stromkunden blechen.

Aus Sicht der Wirtschaft ging es vor allem um die Profitrate. Mit dem übernommenen Versicherungsschutz sichert der Staat den Offshore-Akteuren nun eine Rendite von 9,05 Prozent zu, teilt die Bundesnetzagentur mit. Anfangs waren es etwa 7 Prozent gewesen. Angesichts der üppigen und sicheren Gewinne sollen die Investoren inzwischen Schlange stehen. Für Energieerzeuger wie EnBW, RWE und Vattenfall, Netzbetreiber wie Tennet, Windturbinenspezialisten wie Siemens oder Repower, sowie Versicherungen und Fonds wird sich der Stromstau also bald auszahlen.

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