Jeder fünfte West-Genosse in der Kreide

Säumige Beitragszahler verzerren Delegiertenzahl

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer wie viel und überhaupt Beitrag zahlt, ist in der fusionierten LINKEN nicht erst seit gestern ein Thema. Mit dem Brief der LINKE-Spitzen aus dem Osten ist die Frage nun wieder zu einer aktuellen geworden: Man brauche, heißt es in dem Schreiben an Katja Kipping und Bernd Riexinger, »dringend Transparenz und Ehrlichkeit bei den Mitgliederzahlen«. Denn diese würden über die Verteilung der Delegiertenmandate für Parteitage und also über politische Mehrheiten entscheiden. »Das betrifft auch die Frage«, so der Brief aus dem Osten, »inwieweit beitragssäumige Mitglieder« berücksichtigt würden.

Nun hat die »Mitteldeutsche Zeitung« unter Berufung auf Zahlen von Bundesschatzmeister Raju Sharma berichtet, die West-Verbände würden »knapp 19 Prozent mehr Delegierte auf Parteitage« entsenden, »als ihnen gemessen an den Beitrag zahlenden Mitgliedern eigentlich zustehen«. Fast ein Fünftel der gut 25 400 West-Genossen habe 2012 noch keine Beiträge bezahlt, im Osten stehen nur sechs Prozent bei der Partei in der Kreide.

Würde man die säumigen Mitglieder streichen, wäre die Zusammensetzung des Parteitags eine andere. Derzeit entsenden die Landesverbände 500 Delegierte. Hinzu kommen 70 aus der Jugend und den Zusammenschlüssen. Eine bereinigte Kartei zugrunde gelegt, würde der Anteil der Delegierten aus den alten Ländern deutlich schrumpfen. Ob das auch bedeutet hättet, dass die Wahlen für die LINKEN-Spitze in Göttingen anders ausgegangen wären, bleibt aber Spekulation. Die »Mitteldeutsche Zeitung« schreibt, im Osten werde vermutet, dass bei einer »realistischen Delegiertenverteilung« statt Riexinger doch Dietmar Bartsch zum Zuge gekommen wäre. Der war seinerzeit mit 251 zu 297 Stimmen unterlegen.

Auch bei den Delegierten, die von politischen Zusammenschlüssen zum Parteitag entsandt werden, sehen die ostdeutschen Landesspitzen eine Verzerrung - und fordern daher »eine statuarische Klarstellung«: Nach der geltenden Satzung, so die Kritik, seien »Mehrfachkandidaturen« möglich, und zwar »einmal in der Basisorganisation und darüber hinaus in einem Zusammenschluss oder auch in mehreren«. Auch könnten LINKE-Mitglieder mehrfach Delegierte wählen - wiederum sowohl in der Basisorganisation als auch in einem Zusammenschluss.

Dies sei »kein tragfähiger Zustand«, heißt es im Schreiben aus dem Osten. Dort greift man deshalb auf eine Idee zurück, die bereits im Frühjahr im Forum demokratischer Sozialismus diskutiert wurde: »Eine Lösung könnte darin bestehen, dass außer den Jugendverbänden die Zusammenschlüsse nur noch Delegierte mit beratender Stimme erhalten.«

Eine solche Regelung stößt aber auf Widerstand. So hat etwa die BAG queer erklärt, »dass die 21-jährige Praxis, dass Zusammenschlüsse ihre eigenen Delegiertenmandate erhalten, beibehalten werden soll«. Und die Kommunistische Plattform forderte, gegen eine Änderung müsse »die Solidarität der Mehrheit der Zusammenschlüsse organisiert werden«.

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