Des Grafen langer Schatten

Kommentar von Kurt Stenger

  • Lesedauer: 1 Min.

FDP-Chef Philipp Rösler wünscht sich, dass seine von schlechten Umfragewerten gebeutelte Partei aus einem Blick zurück lernt. So lässt er das 30-jährige Jubiläum des berühmt-berüchtigten Wendepapiers von Otto Graf Lambsdorff feiern, mit dem Ziel, dass sich seine Partei wieder mehr am Prinzip Marktwirtschaft orientieren solle.

Tatsächlich steht das Papier für den wohl größten Erfolg der FDP. Auch wenn der preußisch-forsch auftretende Graf 1982 damit zunächst nur den auch intern umstrittenen Wechsel des Koalitionspartners inhaltlich begründen wollte, läutete das Papier die neoliberale Wende in der Bundesrepublik ein. Wachstumsschwäche und Haushaltsprobleme sollten durch Kürzungen im krisenbedingt gewachsenen Sozialetat, die Förderung privater Investitionen und Abgabensenkungen für Unternehmen und Vermögende gelöst werden. Zaghafte Ansätze einer nachfrageorientierten keynesianischen Wirtschaftspolitik, die im Nachkriegsdeutschland nie durchsetzbar war, wurden im Keim zerstört.

Der Neoliberalismus vertiefte die soziale Spaltung in der Bundesrepublik massiv. Und was gern vergessen wird: Obwohl die vorgeschlagenen Maßnahmen die Staatsverschuldung eindämmen sollten, wuchs diese erst mit dem Dauer-Sparkurs in wirklich besorgniserregende Dimensionen. Wenn der jetzige FDP-Chef daran anknüpfen möchte, zeigt dies, dass er an einem auf jeden Fall nicht interessiert ist: aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen.

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