Klassiker der Anti-AKW-Bewegung verfilmt

»Friedlich in die Katastrophe« bietet auch Gelegenheit zu kritischer Rückschau

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.
Mit 1360 Seiten ist das Buch »Friedlich in die Katastrophe« von Holger Strohm ziemlich monumental. Wer vor der Lektüre des dicken Wälzers zurückschreckt, kann sich ab 27. September im Kino ein filmisches Update des Klassikers der Anti-AKW-Bewegung ansehen.

In einem neuen, zweistündigen Film des Regisseurs Marcin El bringt der Publizist Holger Strohm mit jungen Filmemachern seine Kritik an der AKW-Technologie auf die Leinwand und gibt gleichzeitig Einblick in die Geschichte einer Bewegung. Wir begegnen wichtigen Exponenten der Anti-AKW-Bewegung wie dem Zukunftsforscher Robert Jungk, dem Fotochronisten Günter Zimt, der langjährigen Wendland-Aktivistin Marianne Fritzen, aber auch Hanna Poddig, die in den letzten Jahren durch Aktionen zivilen Ungehorsams bekannt geworden ist.

Holger Strohms Buch brachte »einen erheblichen Niveausprung in der bundesdeutschen Kernkraft-Kritik«, so der Historiker Joachim Radkau. Dabei sprach zunächst nichts dafür, dass das Buch einmal ein solches Echo bekommen sollte. Es ist schon 1971 entstanden, als sich die Kritik an der Atomtechnologie auch in der Linken in der Hauptsache gegen die Kernwaffen richtete. Die friedliche Nutzung der Atomkraft dagegen hatte damals auch noch in Robert Jungk einen begeisterten Fürsprecher, der später jedoch mit seinen Buch »Atomstaat« die Gegenbewegung ebenso prägen sollte wie Strohm. Der hatte anfangs Schwierigkeiten, überhaupt einen Verlag zu finden. Als das Buch 1981 beim Verlag Zweitausendeins herauskam, wurde es zu einem Bestseller. Denn mittlerweile hatte der Atomunfall von Harrisburg weltweit zum Anwachsen der Anti-AKW-Bewegung beigetragen.

Besonders in Deutschland legten viele Aktivisten ihre Marx- und Leninbände beiseite und widmeten sich fortan dem Widerstand gegen die Atomkraftwerke. Dabei konnten sie Strohm nicht nur im theoretischen Disput erleben. Das langjährige SPD-Mitglied war wegen seiner AKW-Kritik 1978 aus der Partei ausgeschlossen worden und kandidierte als Spitzenkandidat der »Bunten Liste - Wehrt Euch«, die später zur Grün-Alternativen Liste werden sollte, für die Hamburger Bürgerschaft.

Linke Teile der Anti-AKW-Bewegung übten zunehmend Kritik an Strohms katastrophischem Weltbild, das auch den Film prägt. Die Endzeitstimmung der späten 80er und frühen 90er Jahre hat auch dazu geführt, dass Gesellschaftskritik oft zugunsten von spirituellen Welterklärungsmustern aufgegeben wurde. Auch dafür ist Strohm ein Beispiel. Der Film bietet so nicht nur die Chance, ein wichtiges Werk der Anti-AKW-Bewegung kennen zu lernen, sondern zugleich auch Anregungen, sich kritisch mit der Geschichte und den Argumenten der AKW-Bewegung zu beschäftigen.

»Friedlich in die Katastrophe« hat am 24.9. um 20 Uhr im Hamburger Kino Abaton und am 29.9. um 17.15 und 19.45 Uhr im Berliner Lichtblick-Kino (www.lichtblick-kino.org ) Premiere. Strohm und der Regisseur sind anwesend.

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