Zwei-Klassen-Gesellschaft im Schulsport
64. Bundesfinale »Jugend trainiert für Olympia« in Berlin / Im Mommsenstadion dominierten in der Leichtathletik die Sportschulen aus dem Osten
Johlend skandierten die Schülerinnen und Schüler die Namen ihrer Klassenkameraden, die unten im Stadionrund laufend, springend und werfend um Punkte für ihre Schule rangen. »Super Stimmung, gute Atmosphäre! Alles viel familiärer als im Olympiastadion«, erzählte mir ein Nebenmann. Es scheint so, als ob sich aus der Behelfslösung Mommsenstadion eine reizvolle Alternative entwickelt hätte.
In der Leichtathletik gibt es bei den Schulen eine Art Zwei-Klassen-Gesellschaft. Die Sportgymnasien aus dem Osten machen die ersten Plätze meist unter sich aus, die konventionellen (West-)Schulen können kaum dagegenhalten. »Das ist ein Unterschied wie zwischen Profis und Amateuren«, erklärte mir Harald Eifert vom Cornelius-Burgh-Gymnasium Erkelenz (Nordrhein-Westfalen). »Vor der Wende stellten wir oft den Bundessieger. Doch nun kämpfen wir darum, beste Westmannschaft zu werden. Im Gegensatz zu anderen Schulen im Westen findet bei uns eine enge Zusammenarbeit mit Sportvereinen statt. Die ist aber nur informeller Natur und mit einem Sportgymnasium nicht zu vergleichen.«
Eine dieser erfolgreichen Sportschulen aus den neuen Bundesländern ist das Sportgymnasium Neubrandenburg. Mit seinen 900 Schülern zählt es nicht nur in der Leichtathletik, sondern auch im Handball oder Fußball zu den top Förderstätten in diesem Land. In der Leichtathletik hat man sich diesmal in allen vier Wettbewerbsklassen gegen die mecklenburgische Sportschulen-Konkurrenz aus Ros-
tock und Schwerin durchgesetzt.
Hans-Jürgen Ansorge, Sportlehrer am Neubrandenburger Sportgymnasium, erläutert das Konzept: »Unsere Schule ist unmittelbar an den Verein SC Neubran-
denburg gekoppelt. Durch Sichtungsprogramme und Wochenendbetreuung und dem Vorzug eines Internats haben wir einen enorme Zulauf und eine Leistungsdichte unter den Schülern und damit auch eine ganz andere Zielsetzungen als ein konventionelles Gymnasium. Für uns ist das hier in Berlin Pflichtprogramm.«
Zwei Beispiele für die gute Arbeit in Neubrandenburg sind die Schülerinnen Jennifer Stacklies und Julia Mächtig. Beide kommen ursprünglich aus Rostock und waren dort schon sportlich aktiv, gingen aber auf Anraten ihrer Trainer nach Neubrandenburg. »Hier ist die Förderung im Mehrkampf einfach besser als in Ros-
tock«, erklärte mir Julia den Wechsel. Sie möchte später mal, »wenn alles gut geht«, Siebenkämpferin werden. Bei Jennifer ist das etwas anders: »Ich peile eigentlich auch den Mehrkampf an, aber im Grunde sind die Wurfdisziplinen bei mir zu schlecht. Meine Stärken liegen hauptsächlich in den Sprungdisziplinen Weit- und Hochsprung.« Und darin ist die Schülerin aus der elften Klasse mit Siegen bei den norddeutschen A-Jugend-Hallenmeisterschaften im Hoch- und Weitsprung und einem dritten Platz im Weitsprung bei den diesjährigen deutschen A-Jugend-Meisterschaften in der Halle sehr erfolgreich.
Zusammen hatte das Duo an diesem Finaltag großen Anteil am zweiten Platz des Sportgymnasiums Neubrandenburg bei den Mädchen (Jahrgang 1985 bis 1988) hinter dem Sportgymnasium Magdeburg. Jennifer sprang 5,91 m weit und 1,72 m hoch. Julia brachte es im Speerwurf auf 35,52 m und im Weitsprung auf 5,71 m.
Bei solchen Leistungen bleibt nicht viel Freizeit. »Der Sport nimmt viel Zeit in Anspruch, dann kommt noch die Schule dazu. Wir sind aber keine Streber und feiern auch Parties«, erklärten sie unisono.
Ein letztes Anliegen wollten die zwei noch loswerden. »Unser Schulgebäude befindet sich in einem fürchterlichen Zustand. Ein Neubau ist geplant, aber die Stadt lässt sich Zeit. Ich hoffe, dass wir so schnell wie möglich eine neue Schule bekommen, damit wir noch besser lernen und trainieren können.«
Bundessieger 2002
Beim 64. Bundesfinale »Jugend trainiert für Olympia« in Berlin wurden die besten Schulmannschaften in sieben Sportarten ermittelt, und zwar in den Wettkampfklassen II (Jahrgänge 1985 bis 1988) und WK III (Jahrgänge 19987 bis 1990).
Badminton: WK II Jungen und Mädchen: Gymnasium Bad Königshofen (Bayern); WK III Jungen und Mädchen: Heinrich-Heine-Gymnasium Kaiserslautern (Rheinland-Pfalz).
Fußball: WK II Jungen: Lausitzer Sportschule Cottbus; WK II Mädchen: Sportschule Potsdam (beide Brandenburg); WK III Jungen: Städtisches Theodolinden-Gymnasium München (Bayern); WK III Mädchen: Sportschule Potsdam (Brandenburg).
Hockey: WK III Jungen: Gelehrtenschule des Johanneums (Hamburg); WK III Mädchen: Elsa-Brandström-Schule Hannover (Niedersachsen).
Leichtathletik: WK II Jungen: Sportgymnasium Magdeburg; WK II Mädchen: Sportgymnasium Magdeburg (beide Sachsen-Anhalt); WK III Jungen: Staatliches Pierre-de-Coubertin-Gymnasium Erfurt (Thüringen); WK III Mädchen: Sportgymnasium Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern).
Rudern: WK II Jungen, Gig-Vierer mit Stm: Karl-Rehbein-Schule Hanau (Hessen), Gig-Doppelvierer mit Stm.: Gelehrtenschule des Johanneums (Hamburg), Achter: Ratsgymnasium Osnabrück (Niedersachsen); WK II a Jungen, Doppelvierer: Sportschule Potsdam (Brandenburg); WK II Mädchen, Gig-Doppelvierer: Friedrichs-Gymnasium Kassel (Hessen); WK II 2 a Mädchen, Doppelvierer: Helmholtz-Gymnasium Essen (Nordrhein-Westfalen); WK III Jungen, Doppelvierer: Gymnasium Carokinum Osnabrück (Niedersachsen); WK III Mädchen, Doppelvierer: Gymnasium Philippinum Weilburg (Hessen).
Tennis: WK III Jungen: Heinrich-Heine-Gymnasium Kaiserslautern (Rheinland-Pfalz); WK III Mädchen: Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium Durmersheim (Baden-Württemberg).
Beach-Volleyball: WK II Mädchen und Jungen: Sportgymnasium Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern).
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