Gut zehn Jahre nach dem Skandal um giftige Holzschutzmittel ist der entsprechende Markt immer noch unüberschaubar. Zwar sind die schlimmsten Gifte verboten, doch auch ungiftige Holzschutzmittel haben fast keine Chance, in die Regale der Baumärkte und Farbhandlungen zu kommen.
Selbst Profis kennen nicht alle Mittelchen, die als »holzschützend« über die Ladentheken gehen. Denn im Lande der Genehmigungen, Verordnungen und Normen werden Holzschutzmittel bis heute nicht als eigene Produktgruppe kontrolliert, vorgeschriebene Wirkungsnachweise oder Qualitätskontrollen gibt es nicht. Stattdessen setzt die Bundesregierung auf freiwillige Qualitätsnormen, das bekannteste Label ist das RAL-Gütezeichen. Das vergibt die Gütegemeinschaft Holzschutzmittel in Frankfurt (Main) an Produkte, die die Qualitätsanforderungen des privaten Vereins erfüllt haben: »Der Verein hat den Zweck«, so heißt es in der Satzung, »die bestimmungsgemäße Wirksamkeit, die gesundheitliche Unbedenklichkeit und die Umweltverträglichkeit von Holzschutzmitteln zu sichern.« Allein das Kleingedruckte macht stutzig: »Holzschutzmittel enthalten Biozide«, heißt es dort kurz und knapp. »Wenn ein Hersteller kein Biozid nachweisen kann, können wir sein Produkt nicht mit dem RAL-Gütesiegel auszeichnen«, bestätigt Gütegemeinschafts-Geschäftsführer Peter Graßmann.
Ungiftige Mittel haben demnach keine Chance aufs verkaufsfördernde RAL-Zeichen. Das bestätigen auch die Erfahrungen der kleinen Firma masid aus Dreieich bei Frankfurt. Sie versucht seit langem, ein Gütesiegel für ihr ungiftiges Holzschutzmittel »Wood-Bliss« zu bekommen. Dieses macht sich einen Verkieselungseffekt des Holzes zunutze: Der genaue Wirkmechanismus ist noch nicht geklärt, vermutlich erkennen Schädlinge das Holz wegen der versteinerten Oberfläche nicht mehr als Holz und befallen es nicht. Genau dieser Effekt sorgt wahrscheinlich auch dafür, dass Schadstoffe aus bereits vorhandenen Altanstrichen erheblich weniger stark ausdünsten, wenn das Holz nachträglich mit »Wood-Bliss« behandelt wird. Die Ausdünstung der heute in Holzschutzmitteln verbotenen, früher aber häufig verwendeten Ultragifte Lindan und DDT sank so um rund die Hälfte, die der gefährlichen PCP um fast 70Prozent. So jedenfalls eine Untersuchung der Technischen Universität Hamburg-Harburg von 1997.
Schließlich bescheinigte auch die Staatliche Materialprüfungsanstalt Brandenburg vor drei Jahren dem Öko-Holzschutzmittel der Firma masid eine »gute Wirksamkeit gegen holzzerstörende Insekten und Pilze« und empfahl dem RAL-Güteausschuss »Wood-Bliss« auf vorerst zwei Jahre zur Auszeichnung. Bisher vergeblich: »Wir bezweifeln nicht, dass das in Rede stehende Mittel in der Tat eine Wirksamkeit aufweist«, schrieb Graßmann im Februar 2001, »aber die Identifizierung zumindest eines Wirkstoffes (= Biozid, d.Verf.) ist für die Verleihung eines Gütezeichens unabdingbare Voraussetzung.«
Diesen Standpunkt vertritt die Gütegemeinschaft bis heute. Der nahe liegende Hintergrund: Bis auf eine Firma sind alle Vereinsmitglieder Hersteller und Verkäufer von giftigen Holzschutzmitteln oder deren Zutaten. Die Leidtragenden sind - neben den wenigen Herstellern ungiftiger Mittel - die Verbraucher: Baumärkte und Farbenhandlungen stellen gerade bei den lange argwöhnisch beäugten Holzschutzmitteln fast ausschließlich Eigenmarken oder geprüfte Produkte in ihre Regale, weil unkalkulierbare Haftungsrisiken drohen. Giftfreie Produkte haben da nur in Ökoläden eine Chance. Von solchen Nischen kann kaum ein Hersteller leben.
Dass Holzschutzmittel bis heute keineswegs unproblematisch sind, beweist ein Ratgeber-Test der Zeitschrift »Ökotest«: Die Tester bewerteten neun der untersuchten Holzschutzmittel unter gesundheitlichen Aspekten mit »ungenügend«. Vier davon tragen das RAL-Gütezeichen. Die sechs mit »sehr gut« bewerteten Holzschutzmittel haben allesamt kein RAL-Gütesiegel. Das Ergebnis der Ökotester wird von der Gütegemeinschaft Holzschutzmittel mit den Worten kommentiert, dass »Ökotest« bei der Bewertung »voll daneben« gelegen habe.
Pikant wird die Sache dadurch, dass der Verein sich sehr gerne einen quasi-offiziellen Anschein gibt: Im für die Beurteilung von Gütezeichenkandidaten zuständigen Güteausschuss des Vereins sitzen neben zwei Vertretern aus Mitgliedsfirmen und den beiden Vereinsvorsitzenden öffentliche Organisationen wie die Bundesanstalt für Materialprüfung, die Materialprüfungsanstalt Brandenburg, das Umweltbundesamt, das Bundesinstitut für Risikobewertung und die Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft. Deren Vertreter aber lassen sich offenbar von der Hand voll Firmenvertreter einwickeln, die die Definitionsmacht für die RAL-Zertifizierung von Holzschutzmitteln bis heute erfolgreich für sich beanspruchen. Bisher jedenfalls hat keine der öffentlich-rechtlichen Organisationen mit ihrem Rückzug aus der Gütegemeinschaft gedroht. Dabei müsste es nach Ansicht unabhängiger Fachleute selbstverständlich sein, Holzschutzmittel ausschließlich nach ihrer Wirksamkeit und nicht nach dem Vorhandensein oder dem Fehlen von Bioziden zu beurteilen. Übrigens: Den hessischen Innovationspreis erhielt die Firma masid für ihr damals noch »HM 1« genanntes Holzschutzmittel bereits vor fast zwölf Jahren.
Bald könnte es mit der unliebsamen Öko-Konkurrenz ganz vorbei sein: Laut europäischer Biozidrichtlinie müssen wohl demnächst alle Holzschutzmittel umfangreiche Biozidtests über sich ergehen lassen, sofern chemische oder biologische Stoffe zur Schädlingsabwehr enthalten sind. Alles in allem könnten die Tests, so schätzen Fachleute, bis zu 2,5 Millionen Euro pro Produkt kosten. »Über solche Beträge«, so Christa Eck, Geschäftsführerin von masid, »müssen wir gar nicht nachdenken.« Dann könne man »Wood-Bliss« vom Markt nehmen.
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