Das »Monument der revolutionären Arbeiterbewegung« in Halle ist Geschichte. Junge Unternehmer wollten die steinernen Fäuste retten. Doch ihr Vorschlag scheint gescheitert. Ab heute soll abgerissen werden.
Ralf Heckel malt sich schon die Fernsehaufnahmen aus: Presslufthämmer und eine Abrissbirne, die sich an den vier kantigen Fäusten auf dem Hallenser Riebeckplatz zu schaffen machen. Geballte Hände, die an einem Kran davon schweben. Die steinerne Jahreszahl der deutschen Revolution von 1918 im Dreck. »Sehr schadhafte Bilder werden das«, sagt Heckel. Halle wolle europäische Kulturstadt werden, fügt der junge Unternehmer hinzu: »Und jetzt so etwas.«
Das Denkmal, das aus vier kantigen, dem Himmel entgegen gereckten Fäusten besteht und Jahreszahlen aus der Geschichte der Arbeiterbewegung zeigt, wurde 1969 nach Entwürfen von Gerhard Lichtenfeld, Heinz Beberniß und Sigbert Fliegel gestaltet. Es bezieht sich auf ein Relief am benachbarten Haus des Lehrers. Seit dem 7.Oktober 1970 steht es am wichtigsten Hallenser Verkehrsknoten, der damals noch Thälmannplatz hieß und eine verkehrsplanerische Abscheulichkeit mit Hochstraße und Kreisverkehr ist.
Seit Jahren gibt es Pläne, das direkt neben dem Bahnhof gelegene Tor zur Innenstadt übersichtlicher zu gestalten. Für die Fäuste, laut Denkmalverzeichnis der Stadt ein »typisches Beispiel für die Einbeziehung modernistisch-abstrakter Stilmittel« in die »Propagandakunst der DDR«, wollen die Verantwortlichen in der Stadt jedoch keinen Platz frei halten. »Ein Verbleib der Fäuste ist nicht vorgesehen«, hieß es schon 1997 im Kleingedruckten einer Stadtratsvorlage. Inzwischen hat der Stadtrat dem Abriss zugestimmt; auch das Regierungspräsidium als obere Denkmalschutzbehörde gab den Abriss frei.
Ralf Heckel will sich mit dem Verschwinden des Denkmals nicht abfinden. Die Zeit der Denkmalstürmer und der achtlosen Entsorgung von Geschichte der früheren DDR sei vorbei, sagt der Unternehmer, der vor Jahren mit »Ostalgie-Partys« für Aufsehen sorgte und später öffentlich über Alternativen zum geplanten Absturz der Raumstation MIR nachdachte.
Heute steht Heckel einem Unternehmerverband vor, der sich »Saxcess« nennt - ein Kunstwort aus »Sachsen« und »Success«, dem englischen Wort für Erfolg. In seinen Publikationen bezeichnet sich der Verein gern als »Verband der Macher«. Zu seinen aufsehenerregendsten Aktivitäten gehört das werbewirksame Verfrachten von allerlei Gegenständen in den Weltraum. Nach der Reise in russischen Raumfahrzeugen gelten etwa Unterhosen des sächsischen Textilherstellers Bruno Banani als »space proof«. Auch Käse, Fahrscheine eines Leipziger Nahverkehrsunternehmens und den sächsischen Olympiaslogan schickte Heckel ins All.
Die Fäuste sollten nicht in den Weltraum fliegen. Das Konzept eines von Heckels Mitstreitern eigens gegründeten Vereins »Faust-Halle.de« sah vielmehr vor, die 200 Tonnen schwere Betonskulptur in 36 Teile zu zerlegen und einer neuen Nutzung zuzuführen. Von der Idee war anfangs wohl auch der 69-jährige Architekt Fliegel angetan, der zuletzt an der Bauhaus-Universität Weimar lehrte und mit der »Fahne« ein weiteres Großdenkmal in Halle entworfen hat, das derzeit umgestaltet wird. Er habe Unterlagen über den komplizierten Aufbau der Hohlkonstruktion zur Verfügung gestellt, so Heckel.
Doch aus dem ambitionierten Vorhaben scheint nichts mehr zu werden. Zwar erteilte die Stadt eine Genehmigung für den Rückbau. Doch über das Einverständnis der Urheber kam es zum Streit. Nachdem er von der geplanten Vermarktung erfuhr, habe Fliegel seine Zustimmung zurückgezogen, heißt es bei der Stadt. Der Architekt sei unter Druck gesetzt worden, glaubt Heckel. Fliegel selbst ist derzeit für Stellungnahmen nicht zu erreichen.
Die Pläne der Jungunternehmer sahen vor, die Fäuste für zunächst fünf Jahre in zerlegtem Zustand auf einem Privatgelände zu präsentieren. Nach dem künstlerischen Konzept einer Berliner Agentur sollten die Teile dort laut Heckel die »sezierte Identität der Ostdeutschen« darstellen und zudem als Symbol für einen alltäglichen »Kampf gegen Intoleranz, Intriganz, Korruption und Machtmissbrauch« präsentiert werden. Für Heckel steht das Anliegen in einer direkten Tradition zur früheren Symbolik des Denkmals: »Hier geht es auch um eine Art Freiheitskampf, nur anders als vor 50 oder 100 Jahren.«
Die hochfliegenden Pläne haben inzwischen zu Streitereien geführt, deren Verästelungen für Außenstehende kaum noch zu überblicken sind. Am 16. Juli schickte Saxcess eine E-Mail ans Rathaus, wonach das Rückbauvorhaben »vorerst gescheitert« sei. Wegen der Kontroverse über die Verwertung, von der Werbegelder abhingen, sehe man sich außerstande, das Angebot aufrecht zu erhalten. Die Stadt beauftragte daraufhin eine andere Firma. Heckel ist aber überzeugt, dass der Zuschlag für »Faust-Halle.de« noch immer gilt, und sammelt weiter Spenden. Der Verein, der schon früher mit Gegendarstellungen und Ultimaten operierte, droht der Stadt jetzt mit Schadenersatzklagen.
Während das Gerangel andauert, hält über die Fäuste niemand mehr seine Hand. Heckel hofft auf ein für heute angesetztes Gespräch zwischen seinen Fachleuten und der nunmehr von der Stadt beauftragten Firma. Rathaus-Sprecherin Ria Steppan hingegen geht davon aus, dass mit dem Abriss begonnen wird. Wenn der Bauablauf am Riebeckplatz eingehalten werden soll, müssen die Fäuste am 31.Juli verschwunden sein.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.