Berufsschullehrer kämpfen gegen rassistische Einstellungen ihrer Schüler
Renate Heusch-Lahl
Lesedauer: 3 Min.
Für Ulf Lübcke gehört es zum Alltag, dass seine Schützlinge ihn morgens mit »Heil« begrüßen oder ihre Hefter mit nationalsozialistischen Parolen beschmieren. »Manche Schüler sind zwar aggressiv, aber nicht direkt rechtsextremistisch eingestellt«, sagt der Rostocker Berufsschullehrer. Etliche seien dabei, die mit rechtem Gedankengut sympathisieren und Rattenfängern auf den Leim gehen. Der Lehrer an einer beruflichen Schule arbeitet mit lernbehinderten Jugendlichen. »Angst habe ich schon manchmal«, sagt Lübcke, »wenn zwei oder drei Leute vor mir sitzen und sie gleich abwehrend reagieren, wenn ich sie anspreche.« Über ihn herfallen würden sie aber wohl nicht, glaubt der 39-Jährige.
Gemeinsam mit 21 Kollegen aus dem ganzen Land nahm Lübcke an einer dreijährigen Fortbildung an der Rostocker Universität teil. Hier erweiterten sie ihre Kenntnisse, um zu erkennen, wo Rechtsextremismus vorliegt, und stärken den eigenen Umgang mit solchen Verhaltensweisen. »Schule ist kein neutraler Ort und ist in der Pflicht, für Demokratie einzutreten«, sagt die Dozentin Gudrun Heinrich.
Die promovierte Politikwissenschaftlerin betont, dass man sich auch mit eigenen Vorurteilen auseinandersetzen müsse. »Lichtenhagen war 1992 nur die Spitze des Eisbergs, gefährlich sind die demokratiefeindlichen Einstellungen«, sagt die Wissenschaftlerin. Nicht immer sei der Rechtsextremismus rassistisch begründet, vielmehr sei es so, dass Menschen Angst hätten, vom eigenen Wohlstand etwas abgeben zu müssen. »Rechtsextremismus bietet Heimatgefühl«, sagt die 38-Jährige, die das aus Bundesmitteln geförderte Projekt leitet.
Viermal im Jahr führt Gudrun Heinrich ein zweitägiges Seminar mit den Berufsschullehrern durch. Dazu gehört es beispielsweise auch, rechte Musik zu hören. »Lässt man die Texte außer Acht, ist die Musik oft gar nicht so schlecht«, hat Heinrich festgestellt. So sei auch der bekannte Udo Lindenberg-Song »Sonderzug nach Pankow« von Rechten umgetextet worden. Für Ulf Lübcke ist es unabdingbar, sich mit dem rechtsextremistischen Umfeld, der Musik und den Symbolen zu beschäftigen. Denn gerade die versteckte Form sei sehr verbreitet. Manche Schüler tragen bestimmte T-Shirts mit Schriftzug. »Oft weiß der Lehrer nicht mal, ob es verboten ist oder nicht.«
Als eine Lehrerin mal vor ihrer Klasse erzählte, wie es Asylbewerbern in Deutschland ergeht, sagte ein Schüler sinngemäß, dass sei noch viel zu gut. Es sei schwer für Lehrer, damit umzugehen, meint Gudrun Heinrich, denn hier ginge es bereits um moralische Einschätzungen. »Dem muss ich entgegnen, dass alle Menschen gleichwertig sind«, findet die Politologin.
Nicht unbedingt der Bildungsgrad sei entscheidend, aber der gesellschaftliche Status der Herkunftsfamilie spiele schon eine Rolle, ob rechtsextreme Einstellungen auf fruchtbaren Boden fallen. »Die Lehrer berichten mir, dass lernschwache Schüler stärker rechts eingestellt sind«, meint Heinrich. Ulf Lübcke findet, dass die Arbeit sich lohnt und man sich offen mit den Problemen beschäftigen müsse. Passiert sei es ihm auch schon, dass ein einzelner Schüler in der Klasse, der nationalsozialistische Parolen benutzte, von den anderen attackiert und abgeschoben wurde. ddp
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