Am Sonntag jährt sich zum 25. Mal der Todestag von Papst Johannes Paul I. Das plötzliche Ende machte sein Pontifikat zu einem der kürzesten der Geschichte. Zweifel an der offiziellen Version des Ablebens bestehen bis heute.
Die hinter den Leoninischen Mauern der Vatikanstadt umlaufenden Gerüchte gipfelten darin, dass es hieß, der neue Papst beabsichtige, aus dem vatikanischen Schloss in ein bescheideneres Gebäude umzuziehen und die vatikanischen Schätze und Wertpapiere zu verkaufen, um den Erlös an die Armen zu verteilen. Das italienische Nachrichtenmagazin »Panorama« schrieb: »Der mächtige Finanzapparat des Vatikans, den Paul VI. unter strenge Kontrolle genommen hatte, erwartete mit Schrecken eine Reform im evangelischen Geist.«
Doch dazu kam es bekanntlich nicht. Albino Luciani (65), der am 26. August 1978 zum Nachfolger von Papst Paul VI. gewählt worden war und den Namen Johannes Paul I. angenommen hatte, starb bereits einen guten Monat später - am 28. September, vermutlich gegen 23 Uhr. Offizielle Todesursache: Herzinfarkt. Was umgehend angezweifelt wurde. »Es schien, als seien die Zeiten der Borgias wieder zurückgekehrt«, hieß es in »Panorama«, »Die Taxifahrer und Händler behaupten, der Tod des Papstes sei das Ergebnis eines Komplotts. Viele bestehen darauf: Sucht die Mörder in der Kurie!« Doch diese weigerte sich, den Leichnam öffnen zu lassen. Mit der Begründung, die Skeptiker könne man ohnehin nicht überzeugen.
Diese Skeptiker gibt es bis heute. Dem britischen Autor David A. Yallop gelang es in seinem Bestseller »Im Namen Gottes?«, ein durchaus plausibles Motiv- und Indiziengeflecht für eine mögliche Ermordung des 33-Tage-Papstes zu entwickeln. Dessen Drang nach Integrität und Ehrlichkeit paarte sich mit einem sensiblen Verhältnis zu allen Geldfragen. Die dubiosen und verlustreichen Geschäfte, mit denen die Vatikanbank IOR in den Niedergang der Banco Ambrosiano verwickelt war, drohten aufzufliegen. Yallop: »Warum Papst Johannes PaulI. umgebracht wurde, liegt doch auf der Hand: Weil er dabei war, den Dieben die Grundlage zu entziehen.« Die von Luciani geplante - und durch sein Ableben verhinderte - Entlassung des IOR-Chefs, des umtriebigen US-Kardinals Paul Marcinkus, hätte das über Jahre gewachsene Finanzkomplott zweifellos hart getroffen.
Zudem hatte sich der »lächelnde Papst«, wie man ihn wegen seines freundlich-bescheidenen Auftretens nannte, mit der - nach dem katholisch-fundamentalistischen Opus Dei - vermutlich zweitwichtigsten Fraktion innerhalb des Vatikans angelegt: den Mitgliedern und Sympathisanten des internationalen Freimaurertums. Aus Papieren, die ihm von Kritikern zugespielt worden waren waren, musste er erfahren, dass wichtige Männer im Kirchenstaat Verbindung zu Geheimbünden hatten, darunter sein Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli (der dasselbe Amt unter Papst Johannes Paul II. ausübte und dessen erster Mitarbeiter war). Bevor Johannes Paul I. auf diesen Posten Änderungen vornehmen konnte, war er tot.
Doch ähnlich wie bei der Abwehr so genannter Verschwörungstheorien zum
11. September 2001 wird in den meisten Mainstream-Medien bis heute hartnäckig daran festgehalten, dass es für einen Mord kein plausibles Motiv gegeben habe.
Und der Vatikan hüllt sich in Schweigen. So konnten die damaligen Versuche der Kirchenstaats-Behörden zur Verschleierung der Todesumstände und die strikte Ablehnung einer Obduktion von Johannes PaulI. den wohl besten Nährboden für die bis heute nicht ausgeräumten Zweifel an der offiziellen Version abgeben.
Immerhin tauchte jetzt ein neues Indiz auf, das in Yallops Theorie passt. Darauf stieß die deutsche Journalistin Valeska von Roques bei Recherchen für ihr Buch »Mord im Vatikan«*, in dem es um den mysteriösen Tod des Kommandanten der Päpstlichen Schweizergarde, Alois Estermann, seiner Frau Gladys Meza Romero und des Gardisten Cédric Tornay geht.
Von Roques verweist auf Parallelen zum Tod des Luciani-Papstes: »Keine offizielle Autopsie, die Fachleuten zugänglich gemacht wird. Keine ernst zu nehmende Untersuchung und bleiernes Schweigen über das unerklärliche Ende der Toten.«
Ein mit der Autorin bekannter Erzbischof zeigte ihr ein Blatt mit dem päpstlichen Wappen, das den Titel »Totenschein« (geschrieben mit Schreibmaschine) trägt und bescheinigt, dass Papst Johannes Paul I. an einem »plötzlichen Tod durch einen akuten Herzinfarkt« verstorben sei. Unterzeichnet hat das Papier Renato Buzzonetti, der zwar der Leibarzt des Papstes war, aber kaum zur Ausstellung des Totenscheines berechtigt. Der Erzbischof zur Journalistin: »Professor Fontana war damals Chef des vatikanischen Sanitätsdienstes. Er hätte einen amtlichen Totenschein auf einem amtlichen Formular ausstellen müssen. Aber er hat sich geweigert, und zwar so lauthals, dass es von der dritten Loggia in die zweite hallte. Auf Druck des Staatssekretariats hat Buzzonetti dann diesen unwürdigen Wisch auf seiner eigenen Schreibmaschine getippt. Ein gültiges Dokument ist es nicht.«
Jetzt will die Katholische Kirche den
33-Tage-Papst selig sprechen. Das Verfahren soll noch in diesem Herbst beginnen.
»Zwei Dinge sind im Vatikan schwer zu bekommen: Ehrlichkeit und eine gute Tasse Kaffee«, bemerkte Johannes Paul I. einmal. Möglicherweise gibt es dort ja inzwischen besseren Kaffee.
* Valeska von Roques: Mord im Vatikan.
Hoffmann und Campe. 271S., geb., 17,90 EUR