Der Kampf um den Meister

Jägermeister schluckt nach gerichtlichem Vergleich die Thüringer Marke Forstmeister

  • Anja Probe
  • Lesedauer: 5 Min.
Ein schwerer Schlag ist einem millionenschweren, weltweit erfolgreichen Unternehmen gegen einen mittelständischen ostdeutschen Betrieb gelungen: Jägermeister hat gerichtlich durchgesetzt, dass der Thüringer Forstmeister-Likör ab 2005 nicht mehr unter dem Namen verkauft werden darf.

Der Wolfenbütteler Konzernriese Mast Jägermeister AG ist konsequent. Er verteidigt mit Händen und Füßen seinen Namen, und das ist nach dem Markenschutzgesetz auch sein gutes Recht. Wer sein Likörchen auf der Flasche mit einem Hirsch verziert oder ihn namentlich mit den Wortbestandteilen »Meister«, »Jäger«, »Jagd« oder so ähnlich versieht, der bekommt Ärger mit den Niedersachsen.
So manche Konkurrenzmarke wurde aufgekauft und gelöscht. In den 70er Jahren soll es rund 200 gerichtliche Verfahren gegeben haben, um sich die Alleinrechte am Namen »Jäger« zu sichern. Im Falle der Thüsa Südthüringer Fruchtsaft & Spirituosen GmbH aus Ritschenhausen störte das »meister« im Namen des Kräuterlikörs »Wächters Forstmeister«.
Wie der Geschäftsführer von Thüsa, Rudolf Wächter, berichtet, gibt es den Forstmeister-Kräuterlikör schon seit 1883, hergestellt von einem kleinen privaten Unternehmen. Thüsa stellt seit 1843 Fruchtsäfte her. In den 1950er und -60er Jahren übernahm der Betrieb auch zeitweise die Abfüllung von Spirituosen. In den 70er Jahren gab es in Meiningen zwei große Likörfabriken. Nach der Wende kaufte Thüsa Fabrik-Anteile und produziert seit dem 9.November 1990 den Rhöntropfen - einen Thüringer Magenbitter. Mit dem Anteilserwerb wurde Thüsa auch die Rechtsnachfolge des Forstmeisters übertragen. 1993 wurde die Produktion nach Ritschenhausen bei Meiningen verlegt. In all der Zeit war der Kräuterlikör mit dem Namen Forstmeister nie markenrechtlich geschützt. Erst Ende 1991 ging Rudolf Wächter, Geschäftsführer seit der Wende, zum Patentamt nach München und beantragte Markenschutz. Seit 1997 stand nun das hochprozentige thüringer Erzeugnis als »Wächters Forstmeister« in den Regalen. Drei Jahre später erst wurde ein Mitarbeiter der Mast Jägermeister AG auf dieses regionale Produkt aufmerksam.
Der Konzern handelte routiniert und unterbreitete ein Angebot: Jägermeister wollte Eigentümer der südthüringischen Marke werden und Rudolf Wächter per Lizenz weiter produzieren lassen. Was in den folgenden Jahren passierte, sehen beide Seiten unterschiedlich. So spricht man bei Jägermeister von »hinhalten« und »drei Jahre langem erfolglosen Bemühen«, wonach Klage erhoben wurde. Wächter sieht das natürlich anders: »Hasso Kämpfe (Geschäftsführer von Jägermeister - Anm. d. Red.) wollte unsere Marke quasi umsonst haben. Wir haben ein vernünftiges Angebot gefordert, denn wir haben den Namen ja nicht geklaut.« Zudem seien Inhaltsstoffe und Etikett beider Liköre unterschiedlich und nicht verwechselbar. Nach Wächters Angaben habe Jägermeister mit Klagen und Schadenersatzansprüchen gedroht. Der Streit endete vor Gericht. »Hier wurden wir gleich bei Verhandlungsbeginn in unsere Schranken gewiesen«, empört sich Rudolf Wächter. Den Argumenten, Forst- und Jägermeister seien nicht verwechselbar, könne nicht gefolgt werden.
Thüsa sah seine Felle davon schwimmen und zog in Anbetracht der drohenden Gerichtskosten die Notbremse. Schließlich wurde ein Vergleich erzielt, bei dem Jägermeister an die Thüsa eine Ablösesumme von 25000 Euro für den Markennamen Forstmeister zahlte. Der Betrag ergab sich anteilig aus dem Jahresumsatz und dem Markenwert. »Diese Summe wurde vom Gericht errechnet und ist unserer Auffassung nach viel zu niedrig«, sagt der Thüsa-Chef. Ersten Schätzungen des Thüringer Instituts für angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung nach belaufe sich der Markenwert auf 130000 Euro.
Für Rudolf Wächter ist das Vorgehen des weltweit agierenden Jägermeisterkonzerns ein Schlag gegen Ostdeutschland. Doch er lässt sich nicht entmutigen und macht aus der Not eine Tugend. Mit Hilfe von zwei Tageszeitungen hat Thüsa die Leser um Mithilfe bei der Namensfindung gebeten. Es wird eine neue Kombination zu »Forst« gesucht. Nicht wenige Leser haben bei dieser Aktion auch ihren Missmut über das Vorgehen von Jägermeister ausgedrückt. Eine Familie aus Adenstedt schrieb an Jägermeister: »Großer Wessi frisst kleinen Ossi und speist diesen mit einem Hungerlohn ab. So kann das mit der deutschen Einheit natürlich nichts werden. Wenn Sie als Branchenriese glauben, der Verbraucher kann eine eckige Flasche nicht von einer runden unterscheiden und dass der Name "Jägermeister" mit dem Namen "Forstmeister" verwechselt wird, so spricht das nicht für Selbstvertrauen in Ihre Marke.«
Am meisten ärgert sich Rudolf Wächter über einen Satz aus einem Jägermeister-Pressespiegel: »Interessanterweise wird der Forstmeister auch unter den Namen Rhöntropfen und Rennsteigtropfen vertrieben.« Die Behauptung, es sei alles dasselbe, sei eine Frechheit, empört sich Wächter. Bei Jägermeister sieht man das nicht so eng. Natürlich meine man nicht zu wissen, alle drei Liköre seien dasselbe, nur »die Flaschenetiketten ähneln sich optisch« sehr, teilte Pressesprecherin Fiona Nordt mit.
Der Konzern wird auch künftig konsequent jeden aus dem Weg räumen, der seinem Logo oder dem Namen zu nahe kommt. »Wir betreiben aufwändigen Markenschutz«, so Nordt. Im Übrigen hätte Forstmeister laut der Pressesprecherin auch dann keine Chance gegen Jägermeister gehabt, wenn der Name schon 1883 geschützt gewesen wäre. Jägermeister gibt es zwar erst seit 1935, aber in solchen Rechtsstreitigkeiten zähle die Markenbekanntheit und die liege für Jägermeister bei 90 Prozent.


Meistervergleich
Der Jägermeister in der Vierkantflasche ist seit 1935 auf dem Markt. Forstmeisterlikör wurde schon 1883 hergestellt.
Bei Jägermeister arbeiten 500 Menschen, bei Thüsa sind 30 Personen angestellt.
Jägermeister verkaufte 2002 weltweit über 41 Millionen 0,7-Liter Flaschen und erzielte einen Umsatz von 222 Millionen Euro. Mit dem Verkauf von »Wächters Forstmeister« macht die Thüsa im Jahresdurchschnitt einen Umsatz von 300000 bis 380000 Euro.
Jägermeister wird in 50 Ländern verkauft. Forstmeister hat seine Hauptabsatzgebiete im Raum Berlin und in der thüringer Region. ND

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