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Der 3. Personalabbau bei ABB in Mannheim

Im Jahr 1994 ist von der früheren Solidarität der Region jedoch nicht mehr viel zu spüren Von PETER MARTIN

  • Lesedauer: 4 Min.

Zum dritten Male seit 1988 kämpft die Belegschaft des ABB-Werkes (früher BBC) in Mannheim-Käfertal um ihre Arbeitsplätze. Als im Februar 1988 die Presse über 2 000 geplante Entlassungen bei dem aus einer Fusion zwischen der schwedischen ASEA und der Schweizer BBC hervorgegangenen Elektrokonzern ABB berichtete, saß der Schock in der Mannheimer Bevölkerung tief. Ein Solidaritätskomitee bildete sich, die Belegschaft protestierte mit einer dreitägigen Betriebsversammlung, in neun Monaten wurde über zwanzig Mal die Arbeit niedergelegt, 4 000 demonstrierten im Juni 1988 zur Aktionärsversammlung im Rosengarten.

Entlassungen konnten

schließlich verhindert werden, ein „sozialverträglicher“ Personalabbau nicht. Die Belegschaft konnte nur Teilerfolge durchsetzen. So wurde zwar der Transformatorenbau von 550 Beschäftigten auf 195 heruntergefahren, die ursprünglich geplante Schließung aber verhindert.

1991 folgte der nächste Kampf. Bei der ABB Kraftwer-

ke AG in Mannheim wurde im Zuge einer internationalen Arbeitsteilung im Konzern Produktion nach Osteuropa verlagert. Auch diesmal konnten Entlassungen verhindert werden. Ein Personalabbau, vor allem über Vorruhestandsregelungen, fand jedoch auch diesmal statt.

1994 nun geht es wieder um gut 1000 Arbeitsplätze von noch 5 300 bei ABB in Mannheim. In der Stadt Mannheim wird auch dieser Abbau betroffen registriert, die Empörung und Solidarität wie 1988 kommt jedoch nicht auf. Die Menschen sind mittlerweile daran gewöhnt. Die massenhafte Vernichtung von Arbeitsplätzen - bei ABB, bei Mercedes Benz, John Deere, Böhringer, BASF, Freudenberg, MWM (um nur die größten zu nennen) - gehört zu den alltäglichen Meldungen in der Region. Von den Klein- und Mittelbetrieben spricht sowieso kaum noch jemand.

Der Bericht des Mannheimer Arbeitsamtes vom August 1994 zeigt eine Zunahme der Arbeitslosen von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bezogen auf August 1992 hat sich die Zahl der Arbeitslosen sogar

verdoppelt und beträgt jetzt elf Prozent in Mannheim-Stadt.

Wie bei ABB wird in den Betrieben massiv rationalisiert. Mittels Lean Production und Verlagerungen in „Billiglohnländer“ soll die Position auf den Weltmärkten ausgebaut werden. Bei ABB geistert z.B. die magische Zahl von einer Kostenreduzierung von

30 Prozent durch die Büros dies bei einem Unternehmen, das nach wie vor glänzende Gewinne verzeichnet. So ist im internationalen ABB-Konzern im 1. Halbjahr 94 der Reingewinn um 31 Prozent auf 322 Millionen Dollar gestiegen.

Die Belegschaft in Käfertal reagiert auf den neuerlichen Stellenabbau sauer Bei der ABB Kraftwerke AG (ca. 3 100 Beschäftigte) soll im Generatorbau die Fertigungstiefe verringert werden und Produktion an eine ABB-Tochter nach Polen verlagert werden. Bedroht sind bei der Kraftwerke AG 320 von 480 Arbeitsplätze. Die erste Absicht von ABB im Juni war gar die komplette Schließung der einzigen Fertigungsstätte für Großgeneratoren bei ABB Deutschland. In der Turbinenfabrik sind durch die Realisierung eines neuen

Maschinenkonzepts und die Einführung von Gruppenarbeit 150 Arbeitsplätze bedroht. Weitere 200 in den Ingenieurbereichen, der Verwaltung und den indirekten Bereichen.

Bei der ABB Kraftwerksleittechnik GmbH sollen von 850 Beschäftigten 270 bis 1997 abgebaut werden. Der Kahlschlag soll vorrangig in Ingenieurbereichen, bei der Softwareentwicklung und Kaufleuten erfolgen. Auch hier soll Arbeit an eine Niederlassung in Polen ausgelagert werden.

Die ABB Transformatoren GmbH in Käfertal mit derzeit noch 195 Beschäftigten sollte Ende 94 weitgehend geschlossen werden. Durch den Widerstand des Betriebsrates und der Belegschaft konnte eine Beschäftigungszusage bis Mai 1997 durchgesetzt werden. Gegenwärtig laufen dort Untersuchungen zur weiteren Reduzierung der Fertigungstiefe und der Fixkosten. Was die Beschäftigungszusage bis 1997 wert ist, wird sich zeigen.

Wie gereizt die Stimmung ist, zeigte sich am 29 August, als die Belegschaft des Generatorbaus - andere schlössen sich an - die Arbeit niederlegte. Anlaß war ein Fax aus dem

hervorging, daß eine externe Firma am Kauf einer großen Karusselldrehbank interessiert ist. Die Belegschaft forderte, alle Freistellungen von Maschinen zu unterlassen, bis die künftige Struktur, Produktpalette und Fertigungstiefe vereinbart sind. Im Moment kommen die Verhandlungen zwischen Betriebsrat und ABB aber kaum von der Stelle. Deutlich wird, daß die eigentlichen Entscheidungen in der Konzernzentrale in Zürich fallen, das Mannheimer Management hat anscheinend nur wenig Spielraum.

In dieses Bild paßt hinein, daß der Personalchef der Deutschen ABB, Joachim Bieker, mit Wirkung vom 9 September das Unternehmen verläßt. Für die Trennung gibt Bieker überwiegend „private Gründe“ an. Der Personalchef gilt jedoch als überzeugter Verfechter der Methode, durch eine veränderte Einstellung des Mitarbeiters zu seiner Arbeit neue Energien freizusetzen. Die eigentlichen Verbesserungspotentiale eines Unternehmens, so Bieker, lägen beim Mitarbeiter Daß seine umstrittende Strategie gescheitert ist, möchte Bieker jedoch nicht eingestehen.

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