Basepohler Millionengrab
Warum Rühe und die Bundeswehr moderne Hubschrauber vergammeln und alte „Mühlen“ mühsam aufpolieren lassen
Heute ist Appell in Basepohl. Die Heeresfliegerstaffel 80 wird aufgelöst. Was begrüßenswert erscheint, hat Haken. Weniger für die rund 50 Soldaten und zivilen Mitarbeiter der Hubschraubereinheit. Die werden, so das zuständige Wehrbereichskommando VIII in Neubrandenburg, „Verwendung in anderen Bereichen der Bundeswehr finden“. Zusammenhänge, notiert von RENE HEILIG
Konserviert in Basepohl: Abrüsten wäre mit Sicherheit die billigste aller Varianten
Foto: dpa
vor. 52 davon waren Mi 24, jede Maschine ist einige Millionen - D-Mark - Wert. Von den 52 sind noch 45 vorhanden -19 stehen in Cottbus, 26 in Basepohl. Der Rest ist NATO-„Erprobungsschwund“ Ein Dutzend Ex-NVA-Kampfhubschrauber sind Baujahr 1989, also kaum geflogen. Die Bundeswehr versah sie mit den Kennern 96+40 bis 96+51 und - ließ sie stehen. Zunächst mochte man dieses für Militärs untypische Verhalten der Entspannungspolitik und einem neuen Besen im Verteidigungsministerium zuschreiben, hatte doch Rühe zum Amtsantritt 1992 den löblichen Vorsatz verkündet: „Ein Umsteuern in der Politik muß auch zum Umsteuern in der Mentalität führen.“ Mag sein, daß der Begriff „Steuern“ den Bundesrechnungshof munter werden ließ. 1993 fragte die Frankfurter Behörde, warum noch immer nichts in Sachen Hubschrauber unternommen wur-
de. Nun will sich der zuständige Mann nicht einmal mehr zum Datum seines Berichtes bekennen. Mitte 1993 jedoch war ihm auch ein von Rühe noch immer geheimgehaltener Testbericht der Amerikaner in die Hände gefallen. Darin wird der russische Rivale über den grünen Klee gelobt. Der Rechnungshof kam zu dem Schluß, daß man „Nutzungskosten in Höhe von rund zwei Milliarden Mark in acht Jahren einsparen“ könnte, wenn man die NVA-Hubschrauber wieder aufsteigen ließe. Umsonst.
Das deutsche Heer verfügt über mehr als 600 Hubschrauber Die sind uralt, haben lange Mängellisten. Beispiel UH 1D- Der flog schon Anfang der 60er Derzeit versucht man bei Dornier, den Helikoptern eine zweite Jugend einzuhauchen. Für 85 - vom Bundestag gebilligte - Millionen.
Beispiel CH ä3G: Dem mittleren Transporter hatte man
2 000 Flugstunden verordnet, sie aber dann rasch verdoppelt. Das wollten die Rotorblätter nicht erleiden. Sie wurden brüchig. Für 200 Millionen beschafft man nun neue aus Titan. Ab 1998 will man dann noch die Reichweite steigern, Kartensichtgeräte und Radartechnik einbauen. Kosten: 300 Millionen D-Mark. Gemeinsam mit den Bo 105 und „Alouette“ verfliegt man zudem 236 Millionen Mark Betriebskosten im Jahr
Und warum? Weil die Maschinen unbedingt noch bis zum Jahr 2 002 durchhalten müssen. Dann kommen die neuen. „Die Beweglichkeit und Unterstützung der Krisenreaktionskräfte im Einsatz wird durch den geplanten Unterstützungshubschrauber TIGER (UHU) und den Transporthubschrauber NH 90 verbessert.“ So steht's im „Weißbuch zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage und
Zukunft der Bundeswehr“ Und so ist es mit der Industrie vereinbart. Die wiederum tat sich mit anderen europäischen Herstellern zusammen.
Weißbuch wie Industrieplanungen sind komplexer Art. So schreit die Marine unter anderem nach dem „MZW“ Was Mehrzweckschiff bedeutet. Man könnte auch Hubschrauberträger sagen, doch das erinnert zu offensichtlich an die schwimmenden Basen der US-Marines. Auf jeden Fall benötigt es aber Hubschrauber. Die heißen NH 90.
Was solche Waffen mit der „Sicherheit der Bundesrepu-
blik zu schaffen haben, wissen die Karlsruher Richter gewiß nicht. Doch sie erlaubten, was Rühes Truppen schon lange üben: Auslandseinsätze. Gerade die Heeresflieger, deren Einheiten komplett zum Expeditionskorps gehören, haben unter UNO-Flagge imperialen Mief bis in den Nahen Osten und nach Asien geflogen.
Wie weiter nun mit dem Millionengrab in Basepohl? Hardthöhen-Sprecher Holla: „Es gibt bei uns ein Verwertungskonzept. Es sieht verschiedene Möglichkeiten vor.“ Ganz alte Maschinen würden verschrottet, „andere bereitge-
halten und auch abgegeben an Länder, die vielleicht den Antrag stellen“. Wer angefragt hat, wisse er nicht.
Helfen wir. Man interessiert sich im Baltikum. Die dortigen Armeen haben ja schon kräftig von NVA-„Schrott“ profitiert und sich dafür bei NATO-Übungen Liebkind gemacht. Einziges Hindernis bei Mi 24-Exporten: Das Kriegswaffenkontrollgesetz. Zur Not jedoch kann man Waffen auch in harmlose Ersatzteile zerlegen. Was immer ein Käufer dann daraus zusammenbaut - es ist nicht mehr unser Problem.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.