VDA-Beschuldigter tot gefunden
Staatsanwälte ermittelten gegen Schlamelcher wegen Betrugs
Bonn (ND). Die Leiche des ehemaligen Geschäftsführers des „Vereins für das Deutschtum im Ausland“ (VDA) ist in der Nacht zum Donnerstag bei Bonn gefunden worden. Laut Auskunft der Kriminalpolizei Siegburg lag der 44jährige Karsten Schlamelcher mehrere Tage in seiner Wohnung.
Schlamelcher hatte bis 1993 die Verteilung von über 100 Millionen DM aus den Kassen des Bundesinnenministeriums (BMI) und des Auswärtigen Amtes organisiert, um diese Gelder einer „Soforthilfe“ für Deutschstämmige in Osteuropa zuzuführen. Dabei arbeitete er u. a. mit dem Staatssekretär im BMI, Horst Waffenschmidt, zusammen, der in Personalunion auch Verwaltungsratsmitglied des VDA war Enge Beziehungen unterhielt Schlamelcher zur VDA-Führung unter dem heutigen Bundestagsvizepräsidenten Hans Klein (CSU).
Wie der Bundesrechnungshof 1993 feststellte, haben Millionenbeträge der vorgeblichen VDA-Hilfstätigkeit ihren Bestimmungsort nie erreicht oder konnten nicht aufgefunden
werden. Deswegen ermittelt die Staatsanwaltschaft Bonn wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs. Gemeinsam mit anderen Personen aus dem VDA und dem BMI gehörte Schlamelcher zu den Verdächtigen.
In den vergangenen Wochen hatten die Autoren des Buches „Deutschtum erwache!“ behauptet, die verschwundenen BMI-Gelder seien für illegale Territorialkäufe in Kaliningrad und an der Wolga verwendet worden, wo der angeblich private VDA subversive Außenpolitik betreibe. Dabei habe Schlamelcher als „Mann mit dem Koffer“ den Finanztransfer persönlich durchgeführt.
Bonner VDA-Kreise bestätigten am Freitag, daß der ehemalige Geschäftsführer Einblick in einen Organisationsverbund hatte, der sich diskreter Beziehungen zum Auswärtigen Amt und zum BMI erfreut. Schlamelcher koordinierte gemeinsame Auslandsaktivitäten mit der „Hermann-Niermann-Stiftung“ (Düsseldorf) und der „Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen“ (FUEV/Flensburg).
Beide Vereine, die ihren privaten Charakter betonen, werden in Zusammenhang mit einer verdeckten staatlichen Steuerung und nationalistischer sowie rechtsradikaler Einflußarbeit in verschiedenen Nachbarstaaten gebracht, darunter in Belgien, Italien, Frankreich und Dänemark.
In diesen Ländern hat es im Umfeld der jüngsten Enthüllungen über den subversiven und netzartigen Aufbau der deutschen Außenpolitik zum Teil heftige Reaktionen gegeben. Der belgische Senator Alfred Evers ließ Außenminister Kinkel wissen, daß die „Schattenspiele mit dubiosem Geld und radikalem völkischen Hintergrund“ trotz aller Verstellung durchaus erkannt würden. Italienische Terrorfahnder verfolgen zur Zeit mehrere Spuren, die vom Südtiroler Bombenterrorismus in die Bundesrepublk führen sollen.
Um zu klären, ob der ehemalige VDA-Geschäftsführer durch Fremdeinwirkung starb, wurde die Leiche am gestrigen Freitag obduziert. Ein Befund lag bei Redaktionsschluß noch nicht vor.
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