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  • Kultur
  • Begegnung mit Rene Pape, international erfolgreicher Baß der Deutschen Staatsoper

Humanismus statt hohles Opernpathos

  • LTVIA NEUGEBAUER
  • Lesedauer: 4 Min.

Rene Pape blieb der Umweg zur Karriere über Engagements an kleinen Theatern erspart. Noch als Student gab er sein Debüt an der Deutschen Staatsoper Berlin in der Partie des Sprechers in der „Zauberflöte“, und nach seinem Staatsexamen wurde er 1988 gleich an dieses Haus verpflichtet. Die in ihn gesetzten Hoffnungen bestätigte er mit ersten Preisen bei Gesangswettbewerben in Helsinki, Gera, Karlovy Vary und Gütersloh. „Am wertvollsten war für mich der erste Preis bei dem ausgezeichneten, sehr lehrreichen Wettbe-

werb in Helsinki, während mir der Wettbewerb der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh am wenigsten zusagte. Da ging es nur noch um Kommerz, um Mißgunst und falschen Ehrgeiz unter den Teilnehmern. Die Freude am Singen, an der Musik blieb auf der Strecke“, beklagt Rene Pape.

Er hat seine Anregungen, seine Motivationen erhalten ohne Vorbildern nachzueifern, profitierte jedoch von Gestaltungselementen und sängerischen Finessen eines Schaljapin, Greindl, Crass, Frick oder Talvela, von der Phrasierungs-

kunst und dem leichten Parlando der alten italienischen Tenöre.

Die nachhaltigsten Eindrükke verdankt er jedoch der Begegnung mit Sir Georg Solti. Schon 1990 kam es in Wien zu einer Zusammenarbeit bei Mozarts c-Moll-Messe. Solti engagierte seine Neuentdeckung auch für die „Zauberflöten“-Inszenierung bei den Salzburger Festspielen 1991 als jüngsten Sarastro der Festspielgeschichte, für die weltweite Fernsehübertragung des Mozart-Requiems am 5. Dezember 1991 - anläßlich des 200. Todestages von Mozart - aus dem Wiener Stephansdom und für Haydns „Jahreszeiten“ in Paris und Chicago. Inzwischen steht Georg Solti, was die Häufigkeit des Zusammenwirkens in Oper und Konzert sowie bei CD-Einspielungen anbelangt, bei Rene Pape an erster Stelle. Mit großer Verehrung spricht er von dem Dirigenten, der ihn so vorbildlich gefördert hat. „Angesichts der ungeheuren Vitalität und Gestaltungskraft dieses über 80jährigen Meisters fühle ich mich manchmal alt!“, sagt der 30jährige Rene Pape.

Auch Daniel'Barenboim hat natürlich als Musikchef der Lindenoper eine große Bedeutung für die künstlerische Arbeit dieses Sängers. „Opernabende und Konzerte unter seiner Leitung sind stets Herausforderungen“, bekennt er „denn keine Aufführung gleicht bei ihm der vorangegangenen. Man muß immer höchst konzentriert und flexibel sein, um seinen - nicht selten geradezu genialen - Intentionen folgen zu können. Andererseits

kommt es uns Sängern sehr entgegen, daß er großen Wert auf die Sprachbehandlung legt, feinfühlig phrasiert und starke Akzente setzt.“

Nun, auf die Sprache kommt es bekanntlich in Beethovens „Fidelio“ in besonderem Maße an. Die gesprochenen Dialoge bedeuten für die Sänger meist eine schwierige Aufgabe. Wie möchte Rene Pape die Rolle anlegen? „Auf keinen Fall als alten behäbigen Bierbauch-Bassisten. Ich stelle mir den Rocco als noch jungen Vater seiner 17jährigen Tochter Marzelline vor und versuche, seine Charakterentwicklung von Geldgier und Egoismus zu einer humanistischen, aufrechten Haltung aufzuzeigen. Bei der er-

sten Aufführung werden sicher noch Wünsche offenbleiben, denn so eine Rolle muß natürlich reifen.“

Auf die Regie angesprochen, gibt sich Rene Pape zuversichtlich: „Stephane Braunschweig - ein junger Regisseur, der natürlich auch noch Erfahrungen sammeln muß wird keine konservative Inszenierung abliefern. Er legt Wert auf die realistische Formung der Charaktere und ist bestrebt, die Dialoge interessanter und tiefgründiger zu gestalten. Das kommt meiner Auffassung sehr entgegen, denn ich möchte jedes Klischee vermeiden und statt hohles Opernpathos Menschlichkeit vermitteln.“

wird die Staatsoper im April in Paris und im September in Jerusalem, zur 3000-Jahr-Feier der Heiligen Stadt, gastieren.

Und welche wichtigen Termine stehen für Rene Pape der auch der Semperoper Dresden sowie den Staatsopern in Wien, München und Hamburg eng verbunden ist im Jahre 1995 außerdem an? Im Mai singt er - als seine erste Zusammenarbeit mit Zubin Mehta - an der Lindenoper den Ramphis in der „Aida“ Premiere, bei den Bayreuther Festspielen wieder den Fasolt und nun auch den Landgraf, und Ende des Jahres debütiert er an der Metropolitan Opera New York.

Da bedarf es schon einer guten Termin- und Reiseplanung, um den Beruf mit einer Familie - seiner Frau, einer Zahnärztin, und seinen zwei kleinen Söhnen von fünf und zwei Jahren - in Einklang zu bringen.

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