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  • Kultur
  • Pet Halmen inszenierte Verdis „Aida“ in der Berliner Staatsoper

Opernhelden steigen aus Vitrinen

  • Lesedauer: 3 Min.

Blindheit sichtbar. Alle Anwesenden fliehen. Szenenwechsel bei offenem Vorhang in den Palast von Memphis zur Opernstory Sie erscheint als Traum des Soldaten. Der, inzwischen sehend, ist nun Radames in Kolonialuniform. Augenblicklich stimmt er die Aida-Arie an. Die übrigen Opernhelden steigen aus den Vitrinen, der König und Amneris in leuchtendes Gold gewandet, Aida schlüpft im weißen Kleid aus dem Mantel einer kauernden Bettlerin.

Fiktive Realität und Opernhandlung durchdringen sich, sind für den Betrachter schwer zu scheiden. Der Kunstgriff macht die theatralischen Vorgänge in dieser Aufführung zwar intellektuell anspruchsvoll, doch ohne die Lektüre des vom Regisseur beigegebenen Textes sind sie kaum zu erfassen, zumal auch in der Originalsprache gesungen wird.

Pet Halmen, Regisseur, Bühnenhildner und Ausstatter, hat

mit seiner Geschichte einen raffinierten Einstieg in Verdis nicht problemloses Werk versucht. Die Peinlichkeit des pathetischen Prunkaufmarsches im zweiten Akt wird entschärft. Der wirkt nun eher wie

ein dekoratives Divertissement in Goldweiß: Chordamen in Heroinenkleidern und mit Tierhornkronen ä la Wagner des Fin de Siecle, die Herren in arabischem Look, aufwen-

dige Verbrennung afrikanischer Götterfiguren, Kampftänze, Clowns und zirzensische Akrobatik. Das alles mag Assoziationen zu den vagen Entstehungsmotiven der Oper (1871) - Einweihung des Kairoer Opernhauses und des Suez-Kanals - wecken. Die für Verdi wohl aktuellere bedrükkende Problematik des deutsch-französischen Krieges bleibt jedoch ausgeklammert.

Sie wird aber in den konflikthaften Begegnungen der Betroffenen spürbar: Persönliches Glück scheitert an der erstarrten Macht der Priesterclique. So hat die Statik des Triumphmarsches auch die Wucht einer Walze, vor der sich Persönliches nicht zu schützen vermag. Eine Vernichtung, die sich in der makabren unterirdischen Gerichtsszene mit ehernem Männerchor noch steigert. Die stärksten Momente dieser Aida liegen in den individuellen Tra-

gödien, deren gesanglicher Ausdruckskraft. Ergreifend sind die hinreißenden Duette in ihren leidenschaftlich-dramatischen, auch lyrisch bewegenden Kantilenen. Am schönsten gesungen vielleicht im zarten Schlußstück. Leider werden die beiden Liebenden reichlich verloren im Museum plaziert, um sie dann in einem Pharaonensarg zu verschließen.

Überhaupt lagen im Musikalischen die stärksten Potenzen. Verdis Musik kam in ihrer dramatischen Energie, ihrer vokalen Schönheit zu teilweise überwältigender Wirkung. Zubin Mehta erwies sich als ein Dirigent von feinem Gespür und äußerster Energie. Im Orchester blitzte es nur so. Die bravouröse Marsch-Gestik der Siegesfeier mit vehementer Blech-Banda, die schwebende Exotik im Nilakt, die intimen Arien-Begleitungen waren Glanzleistungen.

Die Sänger zeigten durchweg außerordentliches Format. Vor allem die Damen faszinierten durch gesangliches wie darstellerisches Können. Nina Rautio ist eine Aida mit ebenso innig bewegender wie dramatischer Ausstrahlung, ihr leuchtender Sopran in allen Registern makellos. Die Amneris von Dolora Zajick hat phänomenales Volumen, kaum je habe ich einen so ungeheuren dramatischen Alt gehört, eine so dämonische Ausstrahlung erlebt (in der Aufführung vom 2. Juni sang Nina Terentjewa). Michael Sylvester hat für den Radames einen kräftigen, ausgewogenen Tenor bereit, ist allerdings etwas steif im Agieren und blaß im Mimischen. Was durch sein unglücklich körpernahes Uniform-Kostüm noch unterstrichen wurde. Ausgezeichnet Kwangchul Youn als König mit asiatischem Image, Sergej Leiferkus als Amonasro und Rene Pape als Ramphis, wie die Beiträge in Nebenrollen. Hervorragend bewährte sich der von Ernst Stoy einstudierte Chor

LIESEL MARKOWSKI

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