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  • Sport
  • Harry Glaß, der erste olympische Medaillengewinner der DDR, wird heute 65 Jahre alt

Jubilar wünscht sich neue Aschbergschanze

  • Lesedauer: 3 Min.

Wo einst die Aschbergschanze in Klingenthal stand, liegen heute morsche Steine, wuchert das Unkraut Fotos: Behrendt

Harry Glaß mit seiner olympischen Bronzemedaille von 1956

Heute wird die DDR-Sportlegende Harry Glaß 65 Jahre alt. Der Skisprungstilist errang 1956 bei den Olympischen Winterspielen im italienischen Cortina d'Ampezzo, den ersten Spielen, an denen die DDR in einer gemeinsamen deutschen Mannschaft teilnehmen konnte, mit der Bronzemedaille auch die allererste olympische Medaille für sein Heimatland.

Der Klingenthaler blieb seiner Heimatstadt, einst weltberühmt als Musikinstrumenten-

und Wintersportstadt, stets treu. Seinen ersten Wettkampf sprang er auf der Kurt-Seidel-Schanze am Aschberg. „Die Weite weiß ich doch heut' nicht mehr“, sagt der immer ruhig wirkende und wortkarge Harry Glaß. Mehr als drei Sätze an einem Tag waren für ihn schon Geschwätz. Doch unter Freunden konnte auch er sehr lustig sein.

So um die 10 OOOmal ist der schmächtig wirkende „Cherry“, so sein Spitzname, in seiner Laufbahn die Schanzen der Welt heruntergerast, um nach elegantem Flug mit lehrbuchreifem Telemarkaufsprung sicher zu landen. Wobei er, wie die meisten Luftpiloten seiner Zeit, während der Sprunges zunächst noch die Arme gestreckt nach vorn hielt. „Das Skispringen war meine Welt, in der ich Freude und Ent-

spannung fand, viele und interessante Menschen kennlernte und durch sie Anerkennung und Ehrung erfuhr“, zieht Harry Bilanz.

Heute lebt Harry Glaß mit seiner Frau Dagmar (54), einer niedergelassenen Ärztin für Allgemeinmedizin, in seinem gemütlichen, ruhig gelegenen kleinen Satteldachhaus in der Klingenthaler Alexander-von-Humboldt-Straße als'Rentner sehr zurückgezogen.

Seit dem Frühjahr 1990 versteht er die Welt nicht mehr richtig. Von namentlich nicht zu nennenden Politikern in Klingenthal wurde angeordnet, die große, von vielen nationalen und internationalen Springergrößen erprobte Aschbergschanze zu sprengen und „platt zu machen“. Ein Häuflein Steine auf dem schon überwachsenen Hügel, der Kampfrichterturm wie ausgebombt und Zuschauertraversen bilden heute die Überbleibsel. „Ja, die Schanze war baufällig, aber wir wollten sie wieder aufbauen“, sagte er betrübt. „Das Geld hätten wir auch irgendwie zusammenbekommen. Viele verständige Sportler und spendenfreudige Zuschauer hätten uns geholfen. Doch die wahren Gründe der kommunalen Ablehnung liegen vom heutigen marktwirtschaftlichen Konkurrenzdenken nicht weit entfert!“

Der Kampfesmut des einstigen tadellosen Sportsmannes ist in dieser Hinsicht fast auf den Nullpunkt gesunken. Er glaubt nicht mehr an große Skispringen in Klingenthal. Wenn sich seine gewiß noch zahlreichen Freunde, Anhänger und Mitstreiter an seinem heutigen 65. Geburtstag in der Alexander-von-Humboldt-Straße die Klinke in die Hand geben, werden sie erfahren: Der größte Geburtstagswunsch des Jubilars ist - eine neue Aschbergschanze!

WOLFGANG BEHRENDT

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