Traumzeit und Traumpfade am Uluru

Reisen auf historischen Spuren (19): Der heilige Berg der australischen Ureinwohner

  • Klaus Haupt
  • Lesedauer: 5 Min.
Da sitzt ein Mensch und meditiert - oder träumt er. Ein Weißer auf rotem Stein. Aus dem Augenwinkel riskiert er einen kurzen Blick auf uns, ob wir wohl ... Ja, doch, wir haben es registriert. Wir wissen, ein meditierender Tourist am Fuße dieses Berges ist selten. Die Mehrheit der Fremden kommt doch eher, um »The Climb« zu erklimmen. Bestiegen soll er werden, der rote Monolith, dieses einzigartige Naturwunder und Heiligtum im Zentrum Australiens mit einem Namen, der nicht zu übersetzen ist: Uluru.
Uluru, so nennen die Ureinwohner, die Aborigines, seit ewigen Zeiten den weithin sichtbaren, die Landschaft dominierenden Riesenstein. Als ihn der erste Weiße im Sommer vor rund 130 Jahren (1873) voller Staunen erblickte, der britische Forschungsreisende William Christie Gosse, da gab er ihm den Namen Ayers Rock. Zu Ehren des damaligen Gouverneurs von South Australia Sir Henry Ayers. Dieser Name kam auf die Landkarten. Für die Aborigines (abgeleitet vom Lateinischen: ab origine - von Anfang an da) aber hat das keine Bedeutung. Der Uluru ist ein Stück von ihnen geblieben und sie sind Teil von ihm. Das reicht weit zurück in ihre Traumzeit, und die Traumpfade führen noch immer hier entlang. Davon erzählt man nun den Touristen.

Traumzeit-Geschichten
Die Traumzeit, so hören wir, hat nichts mit Träumen gemein, wie wir sie kennen. Die Traumzeit - Tjukurpa - ist die religiöse Philosophie der Aborigines. Von ihr erhalten sie Antwort auf die Fragen nach ihrer Existenz, nach ihrer Geschichte und Kultur, die auf rund 40000 Jahre bemessen wird. Sie umschreibt, kurz gesagt, die Entstehung allen Lebens und jeglicher Erdenform, geschaffen durch mythische Gestalten, die als Schöpfer und Helden, als Vorfahren der Menschen verehrt werden. Auch in Tiergestalt haben sie einst ihr Werk vollbracht: Kuniya, die weibliche Python, und Liru, die Giftschlange; Lungkata, der blauzügige Eidechsenmann; das Wallaby, der Emu, diverse Vögel...
Bei der Schöpfung haben sie ein Labyrinth unsichtbarer Wege im Land hinterlassen - die Traumpfade der Urzeit, die die heiligen Zentren miteinander verbinden. Als die mythischen Schöpfer ihr irdisches Werk vollbracht hatten, zogen sie sich nämlich zurück in die Natur, in Flüsse und Wasserlöcher, in Felsen und Grotten. Das sind heilige Plätze für die Aborigines, von denen sie glauben, in ihnen sei die Schöpferkraft der Traumzeit erhalten. Es sind Treffpunkte für Zeremonien, für den Austausch von Legenden, Tänzen, Gesängen und Waren zwi
schen den Stämmen. Ein solcher Traumzeitplatz ist der Uluru.

Aufrechter Sedimentblock
Auf geht's, auch auf uns wartet der zirka 600 Millionen Jahre alte Sedimentblock, der während einer geologischen Faltungsperiode entstanden ist: die waagerechten Sedimentschichten wurden in die Senkrechte gestellt. Die von der Erosion rund geschliffene Spitze des gigantischen, in seiner Größe einmaligen Sandsteinblocks überragt die Ebene nur um 348 Meter (836 m ü.M.),
während er einige tausend Meter weit ins Erdreich eindringt. »The Climb«, der befestigte Aufstieg an der nordwestlichen Ecke des Uluru, gehört zu jedem touristischen Programm. Auch zu jenen, die Ananga Tours anbietet, ein Reiseunternehmen der Anangas - jenes Aboriginal-Stammes, der seit Menschengedenken als Eigentümer des Uluru gilt. Zwar bricht den Aborigines das Herz, wenn das Heiligtum bestiegen wird, aber der eigene Unterhalt erfordert auch Geld. Sie selbst jedenfalls respektieren Tjukurpa, die Gesetze. Sie steigen nicht hinauf.
Zwei Stunden muss man für Auf- und Abstieg veranschlagen und sich keinesfalls vom »Climb« entfernen. Feste Schuhe, Sonnencreme, Sonnenbrille, eine Flasche Wasser und eine Kopfbedeckung, die fest sitzt, wenn man sie nicht den Winden opfern will. Das sind die Dinge, die man benötigt für den einmaligen Blick in das schier endlose Outback.

Farbenspiel der Sonne
Weit weniger anstrengend ist natürlich die Wanderung auf dem 9,4 km langen Weg rund um den ovalen Sockel des Uluru, der Blick in Höhlen mit Felsmalereien, auf ein heiliges Wasserloch oder einen Wasserfall - und überall wird der Fremdenführer Geschichten erzählen von den Traumpfaden und der Traumzeit.
Ein neues Wunder erwartet uns am Abend: Sonnenuntergang am Uluru. Wunderbar ist das Farbenspiel der Sonnenstrahlen auf dem roten Arkose-Sandstein, der versetzt ist mit Feldspan- und Quarzteilchen. Am folgenden Morgen dann erneuter Farbenzauber: Sonnenaufgang am Uluru. Da muss man zeitig aus den Betten. 75 Minuten vor Sonnenaufgang fahren die Busse zur »Sunrise viewing arca«, wo sich die Schaulustigen aller Kontinente sammeln. Zwischen den beiden Sonnenzeiten schließlich ein bislang nie gesehener tiefschwarzer überbordender Sternenhimmel: Und vor dem Hintergrund der leuchtenden Milchstraße das Kreuz des Südens. Während jene Legenden umwobene überaus hell strahlende Sternengruppe einst den Seefahrern und Entdeckern des Fünften Kontinents ein Wegweiser gewesen ist, hätten wir uns im Ayers Rock Resort fast verlaufen, denn wie Hans Guckindieluft bewunderten wir das Kreuz des Südens. Doch in dem Touristen-Areal führen alle Wege auch zum Pioneer Barbecue - zum Riesengrill. Dort kann man sich seine Portionen selbst wählen und nach eigenem Gustus zubereiten: Krokodilfleisch, Känguru-Steak, Emu-Wurst.

Bumerang und Didgeridoo
Im Kulturzentrum, das zum Uluru-Kata Tjuta Nationalpark gehört - neben dem Uluru umfasst es auch das bizarre Sandsteinmassiv Kata Tjuta (Olgas) - vermitteln Ureinwohner etwas von ihrer Lebensart: Umgang mit dem Bumerang - jenem Typ, der zur Jagd benötigt wird und mit dem erlegten Wild auf der Strecke bleibt, und jenem weltweit berühmten Wunderwerk der Aerodynamik, das zum Werfer zurück kehrt; rhythmisches Blasen des Didgeridoo, jenes australischen Ur-Alphorns, hergestellt aus armstarken, bis zu drei Meter langen Eukalyptusästen, die ausgebrannt oder von Termiten ausgehöhlt worden sind; Feuer entfachen ohne Streichholz; Tänze zu uralten Zeremonien ...
So kann die Reise zu den Antipoden am Uluru auch für einen »Weißen« zu einer »Traumzeit« werden.

Infos: Australien Tourist Commision, Neue Mainzer Str. 22, 60311 Frankfurt/Main,
Tel.: (069)27400-677, Fax: -640

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