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Öffnungsklausel »nach oben«

Funktionäre der IG BCE besuchten Henkel-Werk in Genthin

  • Uwe Kraus, Genthin
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Henkel Genthin GmbH in Sachsen-Anhalt ist ein Vorzeigebetrieb. Davon überzeugten sich dieser Tage Funktionäre der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie - um sich bei dieser Gelegenheit auch über die Reformen der Bundesregierung zu äußern
»Wir setzen auf Sozialpartnerschaft und sind mit dieser Verfahrensweise weit gekommen«, erläuterte Hans-Jürgen Schmidt, Landesbezirksleiter Nordost der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). »Wir reden mit den Unternehmen und machen uns bei unseren Besuchen vor Ort ein Bild.« Und das fiel Ende letzter Woche in der Genthiner Henkel GmbH positiv aus. »Eine hochmoderne Anlage, gute Wachstumsraten und das in einem tarifgebundenen Betrieb«, lobte auch der Magdeburger IG-BCE-Bezirksleiter Wolfgang Weise. Die IG BCE hat in ihren Tarifvertrag, der am 1. August in Kraft trat, ein Öffnungsklausel eingebaut - »so dass Betriebe in Not kurzzeitig reagieren können«. Aber auch die Beschäftigten profitieren. Betriebsratsvorsitzender Hans Dietrichs rechnet vor, dass seine Kollegen mit Sonderleistungen bis zu zehn Prozent über dem Tarif liegen. »Hier gibt es eine Öffnungsklausel nach oben, so dass jeder Mitarbeiter von den erwirtschafteten Unternehmenserfolgen profitiert«, erklärt er. »Als Gewerkschafter werden wir ja immer als die Betonköpfe und Blockierer hingestellt«, meint Schmidt. »Wir stellen uns unserer tarifpolitischen Verantwortung ebenso wie der strukturpolitischen beim Aufbau Ost.« Arbeitsplätze zu schaffen sei dabei wichtig wie der Erhalt vorhandener Stellen. Die Gewerkschaft hat 2002 mit dem Arbeitgeberverband vereinbart, in der Chemischen Industrie bis 2009 eine Angleichung an das Tarifgebiet Berlin-West vorzunehmen. So übernahm der Landesbezirk Anfang August die Tariferhöhung um 1,5 Prozent. Im Oktober folgt ein Anpassungsschritt von 1,7 Prozent, im Oktober 2005 von 2,8 Prozent. Henkel-Geschäftsführer Wolfgang Müller verweist auf die hohe Ausbildungsquote im Unternehmen. »Bei rund 300 Mitarbeitern haben wir 13 Auszubildende und stellen jetzt im September wieder drei ein.« Betriebsrat Hans Dietrichs ergänzt: »Wir haben mit der Geschäftsführung vereinbart, dass alle Jugendlichen, bei denen die Noten stimmen, für ein Jahr übernommen werden. Das ist wichtig für die jungen Leute und die Region.« Kritische Worte finden beide zu den Defiziten im Bildungsniveau. Henkel Genthin sitze im Arbeitskreis »Schule und Wirtschaft«, um mit verschiedenen Aktionen bei den Jugendlichen Interesse für die Chemie zu wecken. Aber auch um klar zu machen, welche Defizite in Mathematik, Chemie und Physik bestehen. Gewerkschafter Schmidt, der in der »Bildungsinitiative Chemie« mit Lehrern und Firmen zusammenarbeitet, unterstreicht: »Dass man diese Fächer in der Schule abwählen kann ist völlig falsch und für die Wirtschaftsentwicklung fatal.« Auf die so genannten Reformvorhaben in der Bundesrepublik angesprochen, wurde Schmidt deutlich. Ihn störe, »dass jede Woche eine andere Sau durchs Dorf getrieben wird - Arbeitszeitverlängerung, Urlaubskürzung, Feiertagsstreichungen, Abbau von Mitbestimmung und Kündigungsschutz.« Seine Gewerkschaft stehe - ohne nationalistisch sein zu wollen - für ein Modell Deutschland. Er spreche sich für eine Modernisierung quer durch die Gesellschaft aus. Landesbezirksleiter Schmidt zeigt Verständnis für die Ängste der Menschen. »Aber ich habe kein Verständnis für Halb- und Unwahrheiten, mit denen Leute ihr politisches Süppchen hochkochen. Und ich bin gegen diffuse Bündnisse, mit denen Einzelpersonen ihre Ziele durchdrücken wollen.« Für ihn sei die sachliche Betrachtung von Hartz IV noch nicht abgeschlossen. »Die wahre Botschaft hat noch niemand rübergebracht. Die angekündigte Aufklärungskampagne hätte ich mir vorher gewünscht.«

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