- Kultur
- TV-Reportage: „Pappo - der Schausteller“ (ARD)
Durch die Hölle gegangen
Heinz Strauß war Schausteller, hatte ein Kettenkarussell und eine Schießbude und zog über die Volksfeste rund um Marburg. Vor ein paar Jahren hat er seine Arbeit aufgegeben. Den Grund erfahren wir erst spät, wie Renate Beyer in ihrer Fernsehreportage „Pappo der Schausteller“ (ARD) grundsätzlich zunächst die Sonnen-
seite zeigt. Um so stärker empfinden wir dann Dunkelheit und Kälte, wenn wir in den Schatten treten. Dem Leben von Heinz Strauß mangelte es nicht an dunklen Stunden, Tagen, Jahren. Heinz Strauß ist deutscher Sinti, heute 70 Jahre alt. Die Häftlingsnummer des KZ Auschwitz auf seinem linken Arm ist verblaßt; sie wird
nie verschwinden. Und wenn der alte Herr in seiner Erinnerung vor allem die schönen Zeiten beschwört - er ist durch die Hölle gegangen, doch davon mag er nicht reden.
Die Filmemacherin hält sich zurück, sie beobachtet aus der Distanz, sie nennt die Rücksichten, die sie nehmen mußte. Dahinter wird die kulturelle Eigenart des Volkes der Sinti sichtbar, das seit tausend Jahren in Deutschland ansässig ist, dessen Angehörige sich als Deutsche begreifen und die doch bei den Behörden auf Unverständnis und Feindseligkeit treffen. Wenn sie auch von ihren Mitmenschen zunehmend akzeptiert werden, stehen sie doch unter einem Aklzeptanzdruck der Verwaltung. Wenn auch die direkte Diskriminierung nicht mehr wie in der Nazizeit und in der Adenauer-Ära wirksam wird, immer noch versucht man, sie zu kriminalisieren. Und Heinz Strauß gab seinen Beruf als Schausteller auf, weil er wiederholt Opfer neonazistischer Übergriffe wurde.
Heinz Strauß, der sonst so gefaßt ist, bricht in Tränen aus, als er nach fünfzig Jahren mit wenigen überlebenden Kameraden nach Buchenwald kommt. Er will verzeihen. Es wird begreiflich, wie schwer ihm dies Verzeihen angesichts des alltäglichen Rassismus in Deutschland gemacht wird.
PETER HOFF
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