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  • Sport
  • Lutz Heßlich - einst Olympiasieger und Weltmeister, heute Chef eines Fahrradladens

Es war ein Wahnsinnsding – damals, 1980

  • Lesedauer: 3 Min.

Siegerehrung in Seoul 1988. Danach trat er ab

Der Umfang seines Oberschenkels maß 68 Zentimeter Damals, als er der Grand Signeur der Bahnsprinter war „Ja“, schmunzelt er, „das waren noch Zeiten.“ Immerhin scheint er das Spielchen mit dem Bandmaß zu lieben. Denn Lutz Heßlich weiß heute, daß es nicht nur weniger Zentimeter geworden sind, er weiß es genau: 55.

Damals und heute. Der Cottbuser bringt es auf seinen Nenner. Leistungssport damals war genauso wie Kapitalismus. „Für einen Olympiasieg bekam ich 35 000 Mark, für Platz vier nichts.“ Das Leistungsprinzip im DDR-Sport hatte schon etwas mit Marktwirtschaft zu tun. „Wer gut war, verdiente gut“, sagt Lutz Heßlich. Und er war gut. Zwei Olympiasiege (1980 in Moskau, 1988 in Seoul), viermal Weltmeister (1979, 1983, 1985, 1987), zweimal Juniorenweltmeister.

„Und wie oft haben Sie auf der Winterbahn in der Berliner Werner-Seelenbinder-Halle gewonnen?“

„Weiß ich nicht.“ Doch dann sagt er: „Zehn Jahre bin ich dabei gewesen. Etwa zehn Sprints gab es pro Saison, acht davon im Durchschnitt gewonnen. Also rund 80.“

Lutz Heßlich, der nach seinem Olympiasieg 1988 die leistungssportliche Laufbahn beendete, hatte nach der Wende keine große Mühe, eine andere Leistungslaufbahn zu begehen. Er machte sich selbständig - mit einem Fahrradladen, der „ging“ Was nicht wundert, denn Heßlichs Philosophie ging auf: bekannter Name, teure Räder.

Mittlerweile hat er sich auf eigenem Grundstück in der Wilhelm-Külz-Straße niedergelassen. Seine Frau - „immer noch die erste“ - ist mit von der Partie, dazu zwei Monteure. Denn in Heßlichs Laden werden auch Räder repariert. Schrott verkaufe er nicht. „Mercedes und BMW werden auch gekauft“, begründet er seinen lukrativen Warenbestand. Natürlich habe er anfangs Fehler gemacht. Heute paßt er höllisch auf, nicht zu teuer einzukaufen und vor allem Rabatte herauszuhandeln. „Es braucht eben seine Zeit, ehe man die Marktwirtschaft auch wirklich kapiert hat.“

Tochter Nadja ist 15, Sohn Nico 5 Jahre. Manchmal radelt die Familie komplett aus. Meist aber geht es auf einem Rennrad allein ab. Etwa einmal die Woche. „Fit halten muß man sich schon“, meint das Mitglied des RSC Cottbus.

Funktionen im Klub übt er nicht mehr aus. Keine Zeit.

Über Heßlich zu schreiben, verlangt, eines nicht zu ver-, gessen: Seinen letzten Lauf auf dem olympischen Lärchenlattenoval von M.oskau-Krylatskoje. 1.1 stand es nach zwei Läufen mit dem Franzosen Yave Cahard, einem Zeitfahrspezialisten. Das allein war für den Cottbuser schon ungewohnt, denn in der Regel hatte er es mit zwei Läufen erledigt. Die eine Niederlage hinterließ in Heßlichs Kopf ihre Spuren. Denn nachdem der Franzose im entscheidenden dritten Lauf zur Führung bestimmt war, griff ihn Heßlich schon in der ersten Runde an und hatte im Nu gute 20 Meter Vorsprung. Aber da war noch eine lange Runde. Cahard holte Meter um Meter auf. Lutz Heßlich rettete eine Radlänge ins Ziel. „Wer wagt, gewinnt“, sagt er noch heute. „Ich würde aber keinem empfehlen, diesen Heßlich von Moskau nachzumachen. Es war ein Wahnsinnsding.“

Lutz Heßlich geht es gut. Daß der deutsche Bahnradsport heute nur noch einen „mäßigen Standard“ hat, ist nicht mehr sein Problem.

ECKHARD GALLEY

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