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Einstigen Konkurrenten doch unters Dach geholt

Sonneberger Tridelta-Betrieb soll Flaggschiff der österreichischen Frauenthal Keramik AG werden

  • Lesedauer: 4 Min.

Von PETER LIEBERS

Die Hennsdorf er TrideltaAG, eine lOOprozentige Tochter der Jenoptik AG, und die Frauenthal Keramik AG - eine Holdinggesellschaft der österreichischen CERAM-Gruppe - werden ein gemeinsames Unternehmen gründen. Mit vierjähriger Verspätung konnten damit die Österreicher, die 1992 bei der Treuhand abgeblitzt waren, den einstigen Konkurrenten aus Thüringen doch noch ins Boot ziehen.

Im gemeinsamen Unternehmen sollen vier Tridelta-Geschäftsbereiche sowie die Tridelta-Beteiligungen an der Kronacher Porzellanfabrik, der Thermoprozeß GmbH und der Isolatorenfertigung im chinesischen Nanjing zusammengefaßt werden. CERAM übernimmt dabei 74,9 Prozent der Geschäftsanteile, die Sperrminorität bleibt bei der Jenoptik. Als Kaufpreis erhält Jenoptik eine fünfprozentige Beteiligung an der Frauenthal AG. Vom neuen Unternehmen werden rund 460 Beschäftigte aus den bisherigen Geschäftsbereichen Elektrokeramik Sonneberg, Isolatoren Hermsdorf sowie Verschleißschutz und Filtrationskeramik übernommen. Stellen würden nur im Hermsdorfer Verwaltungsbereich gestrichen.

Freudenthal realisiert damit verspätet und auf etwas andere Art seinen bereits 1992 gefaßten Plan, die thüringische Kon-

kurrenz unter sein Firmendach zu ziehen. Beim Poker um die Hermsdorfer Elektrokeramik bei der Treuhand hatten die Österreicher seinerzeit den kürzeren gezogen. Die Treuhand hatte Jenoptik eine Prämie zugesagt, wenn sie die Tridelta AG innerhalb zweier Jahre privatisiert. Auf diese Option sei, so Jenoptikchef Lothar Späth, bewußt verzichtet worden, um für Tridelta optimale Lösungen zu suchen.

Den Tridelta-Betrieb Elektrokeramik Sonneberg wollen die Österreicher zum Flaggschiff ihrer Gruppe machen. Dazu müßten aber noch 15 Millionen Mark investiert werden, teilte der Vorstandschef der AG, Dr. Ernst Lemberger, mit. Nach dem Abschluß der Sanierung des neuen Gemeinschaftsunternehmens, den Späth „noch in diesem Jahrtausend“ erwartet, wird es in die Frauenthal AG eingebracht. Jenoptik erhält

dann einen entsprechenden Aktienanteil.

Freudental hat seit der Gründung 1989 durch systematischen Zukauf vormaliger Konkurrenzunternehmen in Frankreich, Schweden und der Slowakei im Sektor Hochspannungsisolatoren einen Umsatzanteil von 20 Prozent auf dem europäischen und von sieben Prozent auf dem Weltmarkt erobert. Die AG beschäftigt - ohne Tridelta - über 1160 Mitarbeiter und verbuchte 1995 rund 160 Millionen Mark Umsatz. Tridelta plant 1996 im Isolatorengeschäft einen Umsatz von reichlich 50 Millionen Mark. Mit der Integration der Tridelta baut das Unternehmen seine Marktführerschaft in Europa aus und entwickelt sich zu einem der weltweit wichtigsten Produzenten von Hochspannungsisolatoren. Das von der Tridelta 1995 mit einer 60prozentigen Beteiligung gestartete Joint-venture mit zwei chinesischen Firmen in Nanjing öffnet den Österreichern außerdem den Zugang zu einem der größten Märkte in Asien.

Lemberger räumte ein, daß Freudenthal nicht in der Lage gewesen wäre, die Tridelta AG so wirkungsvoll zu sanieren,

wie das die Jenoptik geschafft habe. Deshalb sei man heute froh, 1992 nicht zum Zuge gekommen zu sein. Das Hermsdorfer Unternehmen, das von der Treuhand an den Rand des Ruins geführt worden war, ist ein Beispiel dafür, daß auch große Betriebe mit klugem Management in die Marktwirtschaft übergeleitet werden konnten, wenn man auf überhastete Privatisierung verzichtet.

In den kommenden Monaten sollen auch die letzten verbliebenen Tridelta-Geschäftsbereiche als jeweils operativ eigenständige Unternehmen neu geordnet und für sie potente Partner gesucht werden. Dabei wolle Jenoptik ohne Zeitdruck nach stabilen Zukunftslösungen suchen, versicherte Späth. Jenoptik hatte 1992 die Tridelta AG, die aus dem rund 8000 Beschäftigte zählenden Kombinat Keramische Werke Hermsdorf hervorgegangen war, von der Teuhand mit nur noch 2700 Mitarbeitern übernommen. Ähnlich wie bei Jenoptik versuchte Späth nach der Umstrukturierung, zunächst durch Unternehmensbeteiligungen Marktzugänge zu schaffen und das Unternehmen dadurch für Käufer

oder Partner attraktiv zu machen. Dazu gehörte 1995 die Übernahme von 24,9 Prozent der Geschäftsanteile der ebenfalls Isolatoren für den Hochspannungsbereich fertigenden Kronacher Porzellanfabrik.

Kleinere Tridelta-Unternehmensbereiche wie die Preßkeramik oder der Werkzeugbau wurden an Konkurrenten oder wie im Falle der Sondermaschinentechnik an die Geschäftsführer verkauft. Aus den Resten des einstigen Forschungszentrums entstand 1993 ein eingetragener Verein, der jetzt als Hermsdorfer Institut für Technische Keramik (HITK) firmiert und 50 Mitarbeiter beschäftigt. Er soll weiter für die Tridelta-Betriebe arbeiten, sich aber verstärkt um andere Kunden bemühen.

Das Gelände des einstigen Kombinatsstammbetriebes in Hermsdorf, auf dem sich ein Konglomerat von aus- und neugegründeten Handwerks-, Gewerbe- und Logistikunternehmen angesiedelt hat, gehört inzwischen zu den potentesten Gewerbegebieten Thüringens, Es ist eines der wenigen Beispiele für die Nutzung vorhandener Infrastrukturen anstelle von Investitionen auf der Grünen Wiese.

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