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- Ein später Auf klärer - der amerikanische Medienökologe Neil Postman wird 65
Seine Warnung: „Wir amüsieren uns zu Tode
Sein Lehrer und Wegweiser war dabei der kanadische Medienwissenschaftler Marshall McLuhan. McLuhan erklärte schon in den endfünfziger Jahren die Welt zum „global village“, zum globalen Dorf, denn das Fernsehen habe die Mdnschen einander immer näher gerückt, so daß sie zu ihrer Lebensgestaltung ein weltumspannendes mediales Informationssystem brauchen und gebrauchen. Er verwies aber auch auf die sozialen Folgen solcher medial hergestellten Nähe, und er widersprach der These von der Indifferenz der Medien. „The Medium is the Message“, das Medium sei die Botschaft, verkündete McLuhan, und sein treuer Adlatus
Neil Postman setzt hier an und führte McLuhans Thesen bis zur apokalyptischen Konsequenz weiter.
Neil Postman ist ein später Aufklärer. Sein Bildungsideal ist konservativ, seinen philosophischen Grundauffassungen ist jedoch auch von linken Positionen kaum zu widersprechen. Wer wird leugnen wollen, daß mit der zunehmenden Verbildlichung und Bebilderung unserer Informationssysteme das abstrakte, verallgemeinernde Denken beschädigt würde, daß das „Ende der Gutenberg-Galaxis“, der Dominanz der Printmedien in der sozialen Kommunikation, unsere traditionell begrifflich geprägten Denkstrukturen ver-
ändert, daß wir einer Bilderwelt gegenüberstehen, an der unsere bisherigen Bewertungsmethoden versagen?
Als Postman 1984 (!) als Festredner auf der Frankfurter Buchmesse seine These vom Tod durch Amüsement an den Fernsehprogrammen exzemplifizierte, die in den USA schon zum puren Rahmen für die Werbung verkommen seien, stieß er in Deutschland noch weitgehend auf Unverständnis. Man hielt ihm „Populismus“ und „publikumswirksame Simplifizierung“ vor Postman erwiderte, was in den USA schon Realität ist, werde spätestens fünfzehn Jahre später auch in Europa und selbst
im fernen China Wirklichkeit werden. Ein Jahr später begann in Deutschland der Aufbau des „dualen Rundfunksystems“, und kaum jemand wird heute noch die Richtigkeit von Postmans damaligen Hypothesen bestreiten wollen.
Der konservative Postman scheute aber auch nicht politische Schlüsse. Als der B-Picture-Mime Ronald Reagan US-Präsident wurde, traf Postman mit seiner These von den „redenden Frisuren“ als Bildner der öffentlichen Meinung den Kern des Problems: nicht das politische Programm, sondern die gängigen Vorurteile über „schön“ oder „häßlich“ bestimmten das Urteil der durch
Bilderfluten aus dem Fernsehapparat plattgeschliffenen Medienkonsumenten über Politiker und Politik. So sind Meinungsumfragen für Postman auch nur Teil der „technologischen Verdummung“, der die moderne kapitalistische Gesellschaft über die Medien ausgesetzt ist.
Es ist Postman nicht hoch genug anzurechnen, daß er trotz des Erfolges seiner wichtigsten Bücher „Der Verlust der Kindheit“, „Wir amüsieren uns zu Tode“ und „Die Verweigerung der Hörigkeit“ an seiner Theorie weiterarbeitete und zu weiterer Konkretisierung seiner Thesen gelangte. So erweiterte er 1992 seine Aus-
gangsthese um den Aspekt „Wir informieren uns zu Tode“ Postmans Schluß ist frappierend und arbeitet auch der verbreiteten Auffassung entgegen, Postmans Kritik wende sich ausschließlich gegen die Medien. Es sind die sozialen und soziokulturellen Verhältnisse, die der Medienökologe für die mediale Umweltvergiftung verantwortlich macht. Weil die Gesellschaft nicht bereit und in der Lage ist, uns ein Wertesystem zur Verfügung zu stellen, in das wir die Überfülle der Informationen einordnen können, die die Medien tagtäglich über uns ausschütten, benutzen wir sie wie jedes andere unnütze Ding: zu unserer Unterhaltung. An der wir dann folgerichtig den ideellen Tod sterben.
Am heutigen 8. März wird Neil Postman fünfundsechzig.
PETER HOFF
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